Globale Konjunktur: Bleibt die Rezession aus?
Europa und China überraschten zuletzt mit guten Konjunkturnachrichten, und im Januar folgten nun auch die USA mit einem starken Arbeitsmarktbericht und Konsum.
Die Datenlage signalisiert insgesamt sogar eine globale Wachstumsbeschleunigung zum Jahresauftakt.
Damit entwickelt sich die Weltwirtschaft auf den ersten Blick besser als unsere eher vorsichtigen Prognosen. Unsere Kernthese für 2023 war, dass die Leitzinserhöhungen der Zentralbanken die Weltwirtschaft merklich bremsen und sogar Rezessionsrisiken bestehen – eine Beschleunigung der Weltwirtschaft steht dieser These eindeutig entgegen.
Zum Jahresauftakt scheint die Weltwirtschaft von mehreren positiven Entwicklungen zu profitieren, die die bremsenden Effekte der Geldpolitik mehr als zu kompensieren scheinen: So sorgten die fallenden Rohstoffpreise und die Entspannung der Lieferketten für eine Beruhigung der Inflation, sodass die realen Einkommen der privaten Haushalte seit Spätherbst wieder steigen konnten. Das eröffnet Konsumchancen – vor allem vor dem Hintergrund hoher Beschäftigungsniveaus und steigender Löhne.
Quelle: Refinitiv Datastream, Metzler; Stand: 31.12.2022
Hinzu kommt noch die Öffnung Chinas. Allein im chinesischen Binnentourismus stiegen die Umsätze in den ersten sechs Wochen des neuen Jahres im Vergleich zum Vorjahr um etwa 30 Prozent. Aber auch der Auslandstourismus boomt. Die Belebung des chinesischen Konsums ist ein positiver globaler Nachfrageschock.
Darüber hinaus verhinderten die staatlichen Hilfsprogramme in Europa, wie etwa die Gaspreisbremse, einen Kollaps des Konsums und eine europäische Rezession im Winterhalbjahr. So hätte der historische Zusammenhang zwischen Konsumentenvertrauen und Einzelhandelsumsätzen durchaus mit einem Kollaps der Einzelhandelsumsätze um etwa 8,0 Prozent in Einklang stehen können. Tatsächlich sind sie bisher aber nur um 2,6 Prozent gefallen.
Quellen: Refinitiv Datastream, Metzler; Stand: 31.1.2023
Aufschwungstendenzen könnten sich zunächst noch verstärken
Oft entsteht aus ersten konjunkturellen Belebungstendenzen eine gewisse Eigendynamik. Vor diesem Hintergrund könnten die Einkaufsmanagerindizes (Dienstag), der ZEW-Index (Dienstag) und der ifo-Index (Mittwoch) weitere Anstiege verzeichnen. Eine Belebung der Konjunktur bedeutet jedoch auch wieder einen steigenden Druck auf die Konsumentenpreise – und damit auf die Inflation. Ein gutes Beispiel dafür ist Japan, wo nun auch ein merklicher Anstieg der Inflation (Freitag) zu beobachten ist.
Die US-Notenbank dürfte in ihrem Protokoll der vergangenen Sitzung (Mittwoch) noch einmal hervorheben, dass die Hürde für Leitzinssenkungen in diesem Umfeld sehr hoch liegen dürfte. In den vergangenen Wochen reagierten die Finanzmarktakteure schon darauf: Derzeit wird nur noch eine Leitzinssenkung von 5,25 Prozent auf 5,0 Prozent im November 2023 gepreist.
Datenlage spricht nur für ein Zwischenhoch
Die Zentralbanken werden also auf die konjunkturelle Belebung mit einer restriktiveren Geldpolitik reagieren. Dementsprechend haben wir unsere Wachstumsprognosen für 2023 angehoben, aber für 2024 reduziert.
Im Endeffekt wird sich die restriktive Geldpolitik als der dominierende Einfluss auf die Weltwirtschaft durchsetzen. Die Warnzeichen sind auch schon zu sehen: So waren inverse Renditestrukturkurven in der Vergangenheit immer gute Frühindikatoren für konjunkturelle Abschwungsphasen. In diesem Zyklus scheint es jedoch länger als üblich zu dauern, bis sich der Abschwung manifestiert, da sich viele Konsumenten und Unternehmen in den vergangenen Jahren langfristig verschuldet haben. Der Anstieg der Zinsen wirkt somit erst mit einer längeren Zeitverzögerung auf den Schuldendienst.
Auch sendet der frühzyklische Wohnimmobilienmarkt in den USA und der Eurozone klare Signale einer Konjunkturschwäche: Umsätze bestehender Wohnimmobilien (Dienstag) und Neubauverkäufe (Freitag) in den USA.
Zuletzt hinterlassen die Leitzinserhöhungen erhebliche Spuren im Bankensystem. So verschärften die Geschäftsbanken auf beiden Seiten des Atlantiks zuletzt ihre Kreditstandards deutlich und berichteten von einer schwachen Nachfrage nach Krediten von Unternehmen und Konsumenten. Eine nachlassende Kreditvergabe, in Kombination mit Umschichtung von Geldern in höher verzinste Anlagen, haben dazu beigetragen, dass die Geldmengen in den USA und der Eurozone seit Oktober 2022 um etwa 100 Mrd. USD bzw. EUR pro Monat schrumpfen. Die höheren Zinsen bedeuten also mehr Sparen und weniger Konsum.
Quelle: Refinitiv Datastream, Metzler; Stand: 31.12.2022
Eine schrumpfende Geldmenge ist historisch eher ungewöhnlich. Seit 1959 ist es in den USA zwar immer wieder vorgekommen, aber nur kurzzeitig und bis zu einem maximalen Niveau von -0,5 Prozent. In der Eurozone war der maximale Rückgang (Drawdown) von 1980 bis 2021 etwa -1,0 Prozent. Seit Herbst vergangenen Jahres ist jedoch ein erheblicher maximaler Rückgang von -2,5 Prozent in den USA und sogar von -3,5 Prozent in der Eurozone zu beobachten. Die Grafik zeigt eindrücklich, wie außergewöhnlich die derzeit schrumpfende Geldmenge ist.
Quellen: Datastream, Metzler; Stand: 31.12.2022
Eine schrumpfende Geldmenge signalisiert eigentlich erhebliche Deflationsrisiken nach traditioneller monetaristischer Lesart. Unserer Einschätzung zu Folge ist die schrumpfende Geldmenge ein Anzeichen dafür, dass die Geldpolitik schon jetzt sehr restriktiv ist.
Die eingangs beschriebenen positiven Schocks dürften zwar für eine temporäre Wachstumsbelebung sorgen, aber spätestens im zweiten Halbjahr 2023 ist wieder mit einer nachlassenden Konjunkturdynamik zu rechnen, da dann die Effekte der restriktiven Geldpolitik stärker werden dürften.
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