Delistings – unmoralische Angebote an der Börse
Jahrzehntelang funktionierte der Ansatz recht gut, Aktien guter Unternehmen in zyklischen Tiefs zu kaufen und sie dann einige Jahre später, in einem normalisierten Marktumfeld, wieder zu verkaufen. Das hat sich mit einer Gesetzesneufassung geändert.
Value-Investoren hatten in den vergangenen Jahren einen schweren Stand. Während eine Handvoll vor allem US-amerikanischer Technologiewerte mit ihrer Kursentwicklung alles in den Schatten stellten, wurden weite Teile des Aktienmarktes von dieser Entwicklung völlig abgehängt. Für Fondsmanager war es in dieser Phase ohnehin schon schwer, mit den entsprechenden Aktienindizes Schritt zu halten. Eine extreme Konzentration auf wenige Einzeltitel ist nach den meisten Fondsstatuten und Jurisdiktionen nicht zulässig – und im Sinne der Lehrbücher zur Portfoliotheorie auch nicht sinnvoll. Alternativ könnte man geneigt sein, sich genau in der entgegengesetzten Ecke des Spektrums aufzuhalten: nicht in hoch bewerteten Mega Caps, sondern in nach allen Maßstäben extrem günstig bewerteten Small Caps.
Jahrzehntelang funktionierte der Ansatz recht gut, Aktien guter Unternehmen in zyklischen Tiefs zu kaufen und sie dann einige Jahre später, in einem normalisierten Marktumfeld, wieder zu verkaufen. Bis der Gesetzgeber 2015 auf die Idee kam, die Aktionärsrechte im Falle eines Rückzugs des Unternehmens von der Börse zu „stärken“ – mit der Neufassung des §39 BörsenGesetz und der klaren Regelung zur notwendigen Höhe des Abfindungsangebots an die Minderheitsaktionäre im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz. Seitdem gilt im Allgemeinen: Die Gegenleistung bei einem Delisting-Erwerbsangebot in Deutschland muss mindestens dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs der Wertpapiere während der letzten sechs Monate vor der Veröffentlichung des Delistings entsprechen. Das klingt nach einer fairen Regelung, ist in der Praxis aber ein Freifahrtschein zur Ausbootung von Minderheitsaktionären. Und das geht ganz einfach, wie das folgende Beispiel illustriert.
Großaktionäre im Vorteil
Ein Großaktionär ist unzufrieden mit der Aktienkursentwicklung seines Unternehmens, die seines Erachtens nicht den inneren Wert angemessen widerspiegelt. In bestimmten Marktphasen – so auch in den vergangenen drei Jahren – handeln zum Beispiel viele Beteiligungsgesellschaften deutlich unter den addierten Einzelwerten ihrer Beteiligungen. Niemand weiß das besser als der Großaktionär, der in vielen Fällen auch entweder im Vorstand oder im Aufsichtsrat vertreten ist. Während der Plan für ein Delisting reift, wird sich das Unternehmen – insbesondere bei Interessengleichheit oder Verflechtung von Vorstand und Großaktionär – vermutlich nicht mit positiven Aussagen hervortun. Ist der Kurs dann sechs Monate in Folge ausreichend schwach, kommt das Delisting- Erwerbsangebot mit einer allenfalls minimalen Prämie auf den gewichteten Durchschnittskurs. Diejenigen Aktionäre, die die Aktie in der Vergangenheit deutlich teurer gekauft haben und in Erwartung einer mittelfristigen Erholung beteiligt geblieben sind, sehen sich plötzlich mit einer neuen Wirklichkeit konfrontiert. Sofern sie das wenig attraktive, Verlust realisierende Angebot nicht annehmen, besitzen sie eine illiquide Aktie, die an keinem geregelten Markt mehr notiert wird. Für viele professionelle Anleger ist das in ihren Anlagerichtlinien ausgeschlossen und sie sind quasi gezwungen, das Angebot anzunehmen.
Was wie ein Einzelfall klingt, hat tatsächlich Schule gemacht in Deutschland. Während von 2016 bis 2018 nur eine Handvoll Unternehmen, häufig in Sondersituationen, von der neuen Delisting-Regulierung Gebrauch gemacht hatten, waren es in den vergangenen drei Jahren schon rund 30. Für Value-Investoren mit einer Buy-and-Hold-Strategie sollte daher der kritische Blick auf ihre Mitaktionäre und die Interessenlage im Unternehmen unverzichtbarer Bestandteil der Analyse werden.
Börsen-Zeitung, erschienen am 16.12.2024, Autor Pascal Spano, Leiter Research Metzler Capital Markets
Weitere Beiträge
Dieses Dokument ist eine Werbemitteilung der B. Metzler seel. Sohn & Co. AG (Metzler).
Es beruht auf allgemein zugänglichen Informationen, die Metzler grundsätzlich als zuverlässig einschätzt. Metzler hat die Informationen nicht auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft und gibt hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der in diesem Dokument enthaltenen Informationen, Aussagen, Einschätzungen, Empfehlungen und Prognosen keinerlei Gewährleistungen oder Zusicherungen ab. Etwaige unrichtige oder unvollständige Informationen, Aussagen, Einschätzungen, Empfehlungen und Prognosen begründen keine Haftung von Metzler, ihrer Anteilseigener sowie Angestellten für Schäden und sonstige Nachteile jedweder Art, die aus der Verteilung oder Verwendung dieses Dokuments entstehen oder damit im Zusammenhang stehen.
Dieses Dokument dient nur zu Werbezwecken und stellt weder ein Angebot noch eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots zum Erwerb von Wertpapieren, sonstigen Finanzinstrumenten oder anderen Anlageinstrumenten dar. Dieses Dokument genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Gewährleistung der Unvoreingenommenheit von Anlageempfehlungen nach § 85 WpHG in Verbindung mit § 20 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung), auf die Artikel 4 und 6 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/958 der Kommission vom 9. März 2016 zur Ergänzung der Marktmissbrauchsverordnung Anwendung finden. Mit der Ausarbeitung und Veröffentlichung dieses Dokuments wird Metzler nicht als Anlageberater oder Portfolioverwalter tätig, insbesondere stellt das Dokument keine individuelle Anlageberatung dar.
Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen, Aussagen, Einschätzungen, Empfehlungen und Prognosen geben die unabhängige Meinung des Verfassers über die in diesem Dokument behandelten Finanzinstrumente oder Emittenten zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung wieder und decken sich nicht notwendigerweise mit der Meinung von Metzler, des Emittenten oder Dritter. Sie können sich aufgrund künftiger Ereignisse und Entwicklungen verändern. Metzler ist nicht verpflichtet, dieses Dokument abzuändern, zu ergänzen oder auf den neuesten Stand zu bringen oder die Empfänger in anderer Weise darüber zu informieren, wenn sich die in diesem Dokument enthaltenen Informationen, Aussagen, Einschätzungen, Empfehlungen und Prognosen verändern oder später als falsch, unvollständig oder irreführend erwiesen haben sollten. Soweit dieses Dokument Modellrechnungen enthält, handelt es sich um beispielhafte Berechnungen möglicher Entwicklungen, die auf verschiedenen Annahmen (zum Beispiel Ertrags- und Volatilitätsannahmen) beruhen. Die tatsächliche Entwicklung kann nicht gewährleistet, garantiert oder zugesichert werden.
Dieses Dokument darf ohne vorherige schriftliche Zustimmung von Metzler weder ganz noch teilweise kopiert, vervielfältigt oder an andere Personen weitergeben oder sonst veröffentlicht werden. Sämtliche Urheber- und Nutzungsrechte, auch in elektronischen Medien, verbleiben bei Metzler. Metzler übernimmt weder eine Haftung für Verlinkungen oder Daten noch für Folgen, die aus der Nutzung der Verlinkung und/oder Verwendung dieser Daten entstehen könnten. Die Inhalte verlinkter Seiten oder weiterführender Daten werden durch Metzler weder bestätigt oder empfohlen, insbesondere übernimmt Metzler keine Gewähreistungen.
Dieses Dokument unterliegt dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Der Gerichtsstand für etwaige Streitigkeiten ist Frankfurt am Main, Deutschland.