AMLA - Die Sachlogik spricht für sich
Finanzplätze stehen in einem weltweiten und kontinuierlichen Wettbewerb. Das Ringen um internationale Bedeutung entscheidet sich zuvorderst über das Leistungsspektrum und -vermögen für die Finanzierung von Handel und Industrie. Gerade heute steht dabei die Frage nach der Begleitung der wirtschaftlichen Transformation der Unternehmen im Vordergrund. Daneben gibt es eine weitere Säule der Wettbewerbsfähigkeit: die Qualität von Aufsicht und Regulierung. Sie entscheidet maßgeblich über die Stabilität, Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit des Finanzsektors.
In den nächsten Monaten steht eine weitere wichtige Entscheidung an. Es geht um die Ansiedlung der AMLA an einem Standort innerhalb der Europäischen Union (EU). Die Abkürzung steht für „Anti-Money-Laundering Authority“, also die neue europäische Antigeldwäschebehörde. Der Brüsseler Plan sieht vor, dass die neue Behörde 2025 ihre Arbeit aufnehmen kann. Deutschland will die Institution nach Frankfurt holen, das hatte bereits Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), damals noch Finanzminister, im Herbst 2021 angekündigt. Der amtierende Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat diese Absicht seither wiederholt bekräftigt. Auch die Landesregierung in Hessen hat sich, ebenso wie Stadt und Region, für die Ansiedlung stark gemacht.
Beachtliche Konkurrenz
Die Konkurrenz ist groß: Lissabon, Luxemburg, Madrid, Mailand, Paris, Vilnius, Wien - alle genannten Städte haben ihren Hut mit unterschiedlichen Argumenten in den Ring geworfen. Die AMLA soll einen entscheidenden Beitrag zur schlagkräftigen, kohärenten und grenzüberschreitenden Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung innerhalb der EU leisten.
Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung bedrohen die Integrität des EU-Finanzsystems und letztlich die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Damit geht auch die Akzeptanz des Finanzsystems demokratisch verfasster Staaten einher. Schätzungen von Europol zufolge werden bei etwa einem Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts der EU festgestellt, dass eine Beteiligung an verdächtigen Finanzaktivitäten besteht. Das entspricht rund 145 Mrd. Euro.
Drei wesentliche Argumente
Aus Sicht der Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance gibt es drei wesentliche Argumente, die für eine Ansiedlung der AMLA in Frankfurt sprechen.
Zum einen würde die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union profitieren. Denn Deutschland hat gelernt, in internationalen Zusammenhängen zu denken und sich trotz weiterhin bestehender nationaler Interessen in internationale Netzwerke einzufügen, Kompromisse zu schließen und zum Nutzen des Gesamten zu kooperieren.
Henry Kissinger wird die Analyse zugeschrieben, Deutschland sei „zu groß für Europa und zu klein für die Welt“. Seit dieser Aussage ist ein halbes Jahrhundert vergangen, und Deutschland hat die Rolle als wichtiger Treiber der europäischen Idee angenommen, ohne dominieren zu wollen. Die Suche nach Deutschlands Rolle in der Welt gestaltet sich indes schwieriger. Sicher aber ist, dass dieses Land sie im Schulterschluss mit den Mitgliedern der EU sucht – der Brexit hat gezeigt, dass das nicht für jedes Land immer selbstverständlich ist.
Die EU würde zudem von der Effizienz profitieren, mit der die AMLA in Frankfurt agieren könnte, weil die Nähe zu zahlreichen anderen Regulierungs- und Aufsichtsbehörden offiziellen wie informellen Austausch fördert und aufgrund der kurzen Wege Entscheidungen beschleunigt. Frankfurt hat sich als das europäische Zentrum vor allem für die Finanzaufsicht und -regulierung etabliert: Am Finanzplatz befindet sich die Europäische Zentralbank (EZB), die nationale Finanzaufsicht in Deutschland BaFin, die Bundesbank, das European Systemic Risk Board (ESRB) , die europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge (EIOPA) und der Legal Entity Identifier (LEI), der global eindeutige Kennungen für Rechtsträger im Finanzmarkt vergibt.
Nicht zuletzt sei die jüngste Ansiedlung des International Sustainability Standards Board (ISSB) in Frankfurt vom November 2021 erwähnt. Das ISSB arbeitet an einer globalen Grundlage für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die dem Informationsbedarf der Investoren gerecht wird.
Die Existenz dieses in Europa einmaligen Regulierungs- und Aufsichtsclusters ist ein valides Argument für die Ansiedlung der AMLA als einer weiteren Institution dieser Art, an diesem Ort. Denn die Behör-den und Institutionen arbeiten nicht überschneidungsfrei. Sie müssen immer wieder kooperieren, Maßnahmen abstimmen, Kennziffern vereinheitlichen, gemeinsame Reporting-Standards erarbeiten.
Stärkerer Austausch nötig
Noch hat die EU mehr als 30 % höhere Reporting-Anforderungen als etwa das Vereinigte Königreich. Oft, und zu oft, werden gleiche Kennziffern unterschiedlich, nicht selten marginal unterschiedlich definiert. Doch die in der Sache geringen Unterschiede reichen aus, um erhebliche Zusatzkosten zu verursachen. Eine möglichst enge Abstimmung und ein stärkerer Austausch sind also mehr als wünschenswert. Es ist nicht zuletzt eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit der EU.
Es gibt ein weiteres Argument für Frankfurt, denn auch die Qualität der Aufsicht in Deutschland und in der EU würde verbessert. Die EU ist ein wichtiger Markt von globaler Attraktivität. Alle wollen auf diesen Markt. Deshalb kann die Europäische Union Standards setzen. Allerdings nur solange diese Standards praktikabel sind. Die Aufsicht muss darauf achten, dass die Kosten für die Einhaltung dieser Standards nicht den Nutzen überwiegen, der daraus erwächst. Wird diese Grenze überschritten, richten sich Märkte neu aus und verlagern sich. Eine Folge wäre, dass wir uns mehr und mehr nach innen auf den Binnenmarkt konzentrieren und noch weiter an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Standardsetzungsmacht
Als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt und mit einer hohen Anzahl globaler Verflechtungen ist Deutschland zwangsläufig erheblichen Risiken in Bezug auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ausgesetzt – gleichzeitig hat die führende Handelsnation in der EU nicht nur den größten Bedarf und Nutzen von einheitlichen Standards, sie hat innerhalb der EU auch die größte Standardsetzungsmacht. Hier am Finanzplatz, an dem rund 250 Banken und Finanzinstitute ihren Sitz haben, entscheidet sich, ob Standards sich durchsetzen.
Die deutschen Behörden haben bereits heute ein gutes Verständnis für Geldwäscherisiken, und sie arbeiten konstruktiv mit den entsprechenden Stellen in anderen Ländern zusammen. Das bestätigt etwa die Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF), die weltweite Kontrollinstanz für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Deutschland habe eine gute Erfolgsbilanz bei der Ermittlung, Verfolgung und Unterbindung von Finanzierungsaktivitäten als Teil eines ganzheitlichen Ansatzes zur Terrorismusbekämpfung.
Finanzdaten-Cluster im Fokus
Nicht zuletzt spricht ein drittes Argument für die AMLA in Frankfurt. Anziehungskraft für Hochtechnologie geht heute überwiegend von Datenanalyse und AI-Anwendungen (Artificial Intelligence – kurz AI) aus. Seit 2018 treibt das Land Hessen gemeinsam mit Akteuren aus Politik und Verwaltung, hessischen Universitäten sowie Unternehmen am Finanzplatz Frankfurt den Aufbau eines Finanzdaten-Clusters voran – das Financial Big Data Cluster (FBDC). Innerhalb der von der Bundesregierung initiierten GAIA-X-Initiative, die am Aufbau einer themenübergreifenden, europäischen Dateninfrastruktur arbeitet, stellt das FBDC den zentralen Anwendungsfall für den Bereich Finanzwesen dar. Dieses Cluster verspricht gerade bei datengetriebenen Themen wie Sustainable Finance, Marktintegrität und eben auch Geldwäschebekämpfung große Fortschritte.
Frankfurt ist Europas digitale Hauptstadt. DE-CIX Frankfurt ist ein Internetknoten, der gemessen am Datendurchsatz der größte der Welt ist. Von Frankfurt aus lassen sich mehr osteuropäische Netze erreichen als von jedem anderen Internetknoten der Welt. Der Zugang ist über mehr als 30 Rechenzentren in Frankfurt möglich und daher ein idealer Standort nicht nur für digitale Geschäftsmodelle, sondern auch für die Forschungs- und Ermittlungsarbeit mit großen Datenmengen.
Nicht zuletzt verfügt der Großraum Rhein-Main über ein exzellentes Netzwerk von mehr als 40 erstklassigen Forschungsinstituten, Universitäten, Wirtschaftshochschulen, Fachhochschulen, etliche mit dem Schwerpunkt Finanzen und Management, beispielsweise die Frankfurt School of Finance & Management, das Center for Financial Studies, das House of Finance an der Goethe-Universität, die Otto Beisheim School of Management (WHU). Wo, wenn nicht hier, könnten die wissenschaftlichen Grundlagen und Zusammenhänge für Geldwäsche erforscht und die künftigen Kontrolleure und Regulierungsexperten ausgebildet werden.
Börsen-Zeitung, 01.03.2023, Autor Gerhard Wiesheu, Präsident von Frankfurt Main Finance, Nummer 42, Seite 26, 1146 Wörter