Kapitalmarktjahr 2025: Gute Voraussetzungen, aber wenig Raum für Enttäuschungen
Die Weltwirtschaft befindet sich auf einem stabilen Wachstumskurs. Nach einer realen Wachstumsrate von rund drei Prozent in diesem Jahr rechnen wir für das Jahr 2025 mit einer ähnlich positiven Dynamik. In den USA könnte sich das Wachstum zwar etwas verlangsamen, jedoch bleiben die Rahmenbedingungen für die Unternehmen positiv. In Europa ist mit einer gegenüber 2024 erhöhten wirtschaftlichen Dynamik zu rechnen, obgleich die ausgeprägte strukturelle Schwäche des deutschen Industriesektors weiterhin ein Bremsklotz für die Konjunktur sein dürfte. Von China erwarten wir kaum zusätzliche Impulse für die Weltwirtschaft.
Die Aussicht auf ein robustes Wirtschaftswachstum ist grundsätzlich eine gute Voraussetzung für ein positives Kapitalmarktjahr 2025. Zusätzlich dürften sich die Finanzierungsbedingungen weiter verbessern, da die sich abschwächende Inflation den Notenbanken Spielraum für weitere Leitzinssenkungen gibt. Viele Asset-Klassen allerdings haben zuletzt bereits erhebliche Wertsteigerungen verzeichnet und die Risikoprämien sind im Jahresverlauf deutlich gesunken. So konnte der MSCI World Index gerechnet in Euro seit Jahresbeginn rund 27 Prozent zulegen und notiert nahe seinem historischen Höchststand, was wesentlich auf die Rallye am US-Aktienmarkt zurückzuführen ist. Auch europäische Unternehmensanleihen, gemessen am ICE BofA Euro Corporate Index, werden nach einer Performance von gut 5 Prozent im laufenden Jahr inzwischen mit sehr niedrigen Risikoaufschlägen gehandelt. Vor diesem Hintergrund erwarten wir im Jahr 2025 ein Marktumfeld mit positiven, aber nur noch durchschnittlichen Wertzuwächsen, das wenig Raum für negative Überraschungen bietet.
Hohe Dispersion an den Aktienmärkten
An den Aktienmärkten verdeckt die positive Entwicklung der globalen Benchmarkindizes, dass die Kursentwicklungen von Regionen, Sektoren und Einzeltiteln sehr heterogen verlaufen. Zwar hat die Marktbreite zuletzt zugenommen, aber wenige hochkapitalisierte Titel, allen voran die führenden US-Technologieunternehmen, waren im bisherigen Jahresverlauf entscheidend für die hohen Kursgewinne. Von internationalen Anlegern vernachlässigte Regionen wie der europäische Aktienmarkt und hier insbesondere das Nebenwertesegment handeln inzwischen mit einem großen Bewertungsabschlag gegenüber ihren US-amerikanischen Pendants – selbst nach Bereinigung für Unterschieden im Sektorenmix. Dazu kommt: In einigen Sektoren, etwa bei Halbleiterunternehmen, sind wenige Unternehmen für die gesamte Performance verantwortlich. Angesichts dieser hohen Divergenz dürften im Jahr 2025 die aktiven Selektions- und Allokationsentscheidungen zentral für den Anlageerfolg sein.
Trump-Boom könnte von kurzer Dauer sein
Die Vorhaben der neuen US-Regierung könnten im kommenden Jahr zur Belastungsprobe für die Kapitalmärkte werden. Derzeit dominieren die Erwartungen an baldige Deregulierungen, Steuersenkungen und ein beschleunigtes Wirtschaftswachstum, was zuletzt vor allem dem US-Aktienmarkt zugutekam und zu einer kräftigen Aufwertung des US-Dollars führte. Mittelfristig jedoch könnte die Gefahr eines Handelskrieges drohen, falls Donald Trump seine im Wahlkampf angekündigten umfassenden Zollmaßnahmen umsetzt. Die Höhe, der Umfang sowie der Zeitpunkt der Einführung möglicher Zölle sind dabei entscheidend für die Kapitalmarktreaktion. Da Zölle inflationstreibend wirken – ebenso wie eine Verknappung des Arbeitsangebots durch eine mögliche massenhafte Abschiebung illegaler Migranten – könnte die US-Notenbank gezwungen sein, ihren Zinssenkungszyklus früher als geplant zu beenden. Dadurch könnte ein wichtiger Treiber für die Aktienmärkte entfallen.
In Europa zählt darüber hinaus die verhaltene Dynamik bei den Unternehmensgewinnen zu den Risikofaktoren. Für das Jahr 2025 wird zwar noch mit einem Wachstum von 8,6 Prozent gerechnet, der Revisionstrend der letzten Monate fällt aber negativ aus. Zum Vergleich: Für US-Unternehmen wird ein Gewinnwachstum von 14,7 Prozent prognostiziert. Zu den Gründen für die erwartete schwächere Entwicklung in Europa zählt die Abkühlung im Chinageschäft. Außerdem dürften die Marktteilnehmer damit begonnen haben, mögliche US-Zölle in ihren Schätzungen zu berücksichtigen. Inwieweit sich die Zölle am Ende aber tatsächlich zu einem Belastungsfaktor für europäische Unternehmen entwickeln, dürfte stark abhängen von deren konkreten Ausgestaltung, etwaigen politischen Gegenmaßnahmen und der Möglichkeit zu Produktionsverlagerungen. Auch verfügen europäische Unternehmen in einigen Branchen wie der Medizintechnik und bei Luxusgütern über eine starke Preissetzungsmacht im US-Markt. Dies könnte potenziell negative Zolleffekte abmildern. Zudem hat die jüngste Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar die Wettbewerbssituation der europäischen Exportwirtschaft zunächst verbessert.
Deutschland ist wieder „der kranke Mann Europas"
In Europa verhindert derzeit in erster Linie die stagnierende deutsche Wirtschaft ein höheres Wachstum. Strukturprobleme wie der demografische Wandel und das damit einhergehende rückläufige Arbeitsangebot sowie eine verfehlte Energiepolitik belasten die Konjunkturaussichten. So schätzt der Sachverständigenrat in seinem Herbstgutachten das jährliche Potenzialwachstum im Jahr 2025 auf nur 0,4 Prozent. Bis zum Jahr 2029 soll es auf diesem niedrigen Niveau verharren, wenn die wirtschaftspolitischen Weichen nicht neu gestellt werden. Der Neuwahl des Bundestages im Februar kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Gelingt es der neuen Regierung, die nötigen tiefgreifenden Reformen durchzuführen, könnte dies ein wichtiger Katalysator für eine Renaissance des breiten deutschen Aktienmarktes sein. So liegt der MDAX, der Index der mittelgroßen deutschen Unternehmen, immer noch rund 25 Prozent unter seinem Höchststand aus Februar 2021.
Anleihen: Fiskalpolitische Ankündigungen belasten
An den Anleihemärkten werden die potenziell inflationsanheizende Politik und insbesondere die Steuerversprechungen der neuen US-Administration derweil mit Skepsis betrachtet. Die traditionell konservative Fiskalpolitik der Republikaner scheint endgültig Geschichte zu sein. Dass der ohnehin hohe Schuldenberg unter einer Trump-Regierung weiter anwachsen und das US-Haushaltsdefizit im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt dauerhaft auf über 7 Prozent steigen könnte, ist aus unserer Sicht einer der zentralen Risikofaktoren für die Anleihemärkte. Entsprechende Befürchtungen führen bereits seit Mitte September zu deutlichem Druck auf die Kurse am US-Rentenmarkt. So kletterten die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen deutlich von 3,6 auf fast 4,5 Prozent.
Weniger Druck auf Anleiherenditen bei Kurzläufern
Die Anleiherenditen am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve könnten im kommenden Jahr weniger unter Druck geraten, als der Markt es derzeit erwartet. Denn bei den Leitzinssenkungen liegt unsere Prognose über den Markterwartungen. So gehen wir lediglich von drei weiteren Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank bis zu einem Refinanzierungssatz von 2,65 Prozent aus. Die US-Notenbank könnte aufgrund einer unerwartet starken konjunkturellen Entwicklung und einer höher als erwarteten Inflation nach nur einer Zinssetzung auf 4,5 Prozent zunächst eine Pause einlegen.
USA: Steigende Staatsverschuldung birgt Risiken
Unternehmensanleihen sind im Jahr 2025 aufgrund ihrer attraktiven Verzinsung weiterhin interessant. Weiter sinkende Risikoaufschläge gegenüber ausfallsicheren Staatsanleihen erwarten wir jedoch nicht. Der Fokus sollte auf Unternehmensanleihen von Emittenten hoher Qualität liegen. Das gilt auch für Anleihen von Finanzinstituten, bei denen wir Senior Preferred- gegenüber Non-Preferred-Anleihen bevorzugen. Chancen sehen wir zudem bei europäischen Emittenten aus dem Wohn- und Logistikimmobilienmarkt. Beide Segmente profitieren von einer hohen Nachfrage bei geringem Angebot.
Chance auf Waffenstillstand im Ukraine-Krieg?
Geopolitisch könnte die neue US-Administration festgefahrenen Konflikten neue Impulse geben. Neben dem Nahostkonflikt betrifft dies vor allem den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Sollte es hier zu einem Waffenstillstand kommen, könnte dies zu einer Diskussion über die Wiederaufnahme russischer Exporte fossiler Energieträger nach Europa führen. Infolge gesunkener Risikoprämien würden die europäischen Öl- und Gaspreise selbst dann fallen, wenn auf absehbare Zeit keine substanziellen Lieferungen erfolgen. Gleichzeitig könnte ein Waffenstillstand für mehr Zuversicht unter den europäischen Verbrauchern sorgen und zu einem Rückgang der hohen Sparquote führen. Am europäischen Anleihemarkt würde sich die deutsche Zinsstrukturkurve versteilern, weil Anleger den sicheren Hafen langlaufender Bundesanleihen verlassen würden.
Von diesen Effekten würden europäische Aktien profitieren. Besonders den Industriesektor würden niedrigere Energiepreise begünstigen. Der Wiederaufbau der Ukraine, dessen Gesamtkosten von der Weltbank im Februar 2024 auf 486 Milliarden US-Dollar geschätzt wurden, könnte positive Impulse für Kapitalgüterhersteller, Baustoffproduzenten und Banken bringen. Bei Rüstungsaktien wäre kurzfristig eine negative Kursreaktion zu erwarten, insbesondere wegen drohender sinkender Umsätze im Wartungsgeschäft und mit Munition. Da das russische Bedrohungsszenario aber auch nach einem Waffenstillstand bestehen bleibt, rechnen wir mittelfristig nicht mit einem Ende des strukturell positiven Umfeldes für Rüstungsunternehmen.
Risiko für Scheitern des Pariser Klimaabkommens
Eine weitere geopolitische Herausforderung, der Kampf der Weltgemeinschaft gegen den menschengemachten Klimawandel, steht im kommenden Jahr vor einer entscheidenden Bewährungsprobe. Bis 2025 sind die über 190 Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens dazu verpflichtet, ihre aktualisierten Klimabeiträge für den Zeitraum bis 2035 einzureichen. Um die vereinbarten Klimaziele von maximal 2°C, idealerweise 1,5°C Erderwärmung, noch zu erreichen, ist eine erhebliche Steigerung der Ambitionen notwendig, was angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage unwahrscheinlich erscheint.
Wir halten es daher für sehr gut möglich, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens auf der Weltklimakonferenz im November 2025 in Brasilien offiziell als nicht mehr realisierbar eingestuft werden und eine Neukalibrierung erfahren. Dies hätte neben den negativen Folgen für Mensch und Natur sowie weitreichenden politischen Implikationen auch Auswirkungen auf Unternehmen und Investoren, denn die Beschlüsse des Abkommens bilden die Grundlagen von Dekarbonisierungsstrategien und finanzmarktregulatorischen Vorgaben.
US-Unternehmen mit höherer Gewinndynamik
Aktuelle Positionierung
Unsere aktiv-diskretionären Multi-Asset-Portfolios waren im Vorfeld der US-Wahl weitgehend neutral positioniert. Die Marktbewegungen in Folge des republikanischen Clean Sweep haben zu einer moderaten Übergewichtung von Aktien, Gold und US-Dollar geführt. Von einem Rebalancing sehen wir aktuell aber ab. So profitieren US-Aktien von der ohnehin gut laufenden US-Wirtschaft und der Erwartung auf eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen unter einer Trump-Administration. Der Goldpreis profitiert von einer strukturell höheren Nachfrage der Zentralbanken großer Schwellenländer, die ihre Währungsreserven angesichts internationaler Sanktionen gegen Russland diversifizieren. Beide Effekte stärken auch den US-Dollar.
Im Anleihesegment haben wir die Duration zuletzt taktisch verkürzt – insbesondere bei US-Staatsanleihen. Bei Unternehmensanleihen konzentrieren wir uns auf Emittenten hoher Qualität. Die gegenwärtigen Spreadniveaus für Anleihen mit erhöhtem Kreditrisiko, wie im BBB- oder High Yield-Segment, erscheinen uns derzeit nicht attraktiv. Zur Absicherung gegen Inflationsüberraschungen, die durch umfassende US-Handelsbeschränkungen entstehen könnten, setzen wir auf eine strategische Beimischung von inflationsgeschützten Anleihen.
Innerhalb des Aktiensegments ignoriert der Markt weiterhin die sehr günstigen Bewertungsrelationen europäischer Nebenwerte. Neben weiteren Leitzinssenkungen könnte hier die von uns erwartete konjunkturelle Belebung in Europa als Katalysator für steigende Kurse wirken. Auch verstärkte transatlantische Übernahmen sind angesichts des zuletzt stark zum US-Dollar gefallenen Euros denkbar.