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4.9.2024 - Pal Skirta

EU-Zölle auf chinesische Elektroautos: Auswirkungen auf den europäischen Markt

Die Wettbewerbssituation auf dem chinesischen E-Automarkt bleibt angespannt, und auch in Europa nehmen die Spannungen zu: Seit Juli erhebt die EU provisorische Ausgleichszölle auf E-Auto-Importe aus China. Wie schlägt sich die deutsche Automobilindustrie im Wettbewerb mit chinesischen Herstellern? Dazu drei Fragen an den Branchenexperten Pal Skirta.

 

Eins
Wie schätzen Sie die Entwicklung der chinesischen Automobilindustrie ein?

Wir betrachten China als ein Land, dass nach einem langfristigen ökonomischen und technologischen Entwicklungszyklus jetzt zu einem ernstzunehmenden Akteur auf dem globalen Mobilitätsmarkt geworden ist. China hat sich von einer globalen Manufaktur immer mehr zu einem Forschungs- und Entwicklungszentrum mit höherer Wertschöpfung entwickelt. Dieser Trend zeigt sich besonders deutlich daran, wie deutsche Hersteller ihre Entwicklungs- und Ingenieurstätigkeiten umstrukturieren. Sie entwickeln nicht nur verstärkt Produkte speziell für den chinesischen Markt direkt in China – die sogenannte "In China for China"-Strategie –, sondern verfolgen zunehmend auch den "In China for the world"-Ansatz. Dabei werden neue, bahnbrechende Funktionen zunächst in China entwickelt und getestet, bevor sie in anderen Ländern eingeführt werden. Außerdem kontrolliert China nahezu die gesamte Wertschöpfungskette für EV-Batterien und bleibt der größte Absatzmarkt für europäische Hersteller sowohl in der Produktion als auch in der Nachfrage.

Vor diesem Hintergrund halten wir es für strategisch sinnvoll, die chinesische Automobilindustrie als weiteren Wettbewerber auf Augenhöhe zu betrachten und den Wettbewerbsdruck nicht als Bedrohung, sondern als treibende Kraft für mehr Innovation zu sehen.

Zwei
Wie bewerten Sie die die Erhöhung der Einfuhrzölle auf chinesische Elektroautos durch die EU?

Die Analyse der EU-Kommission legt nahe, dass der chinesische Staat die heimische Automobilindustrie sowohl direkt als auch indirekt subventioniert hat, um eine führende Rolle in der E-Mobilitätsbranche zu erreichen. Das könnte die Einführung von Ausgleichszöllen rechtfertigen. Dennoch sind zusätzliche Importzölle auf chinesische Elektrofahrzeuge unserer Ansicht nach keine Allzwecklösung für die europäische Automobilindustrie und ihre Verbraucher.

Unsere Analysen zeigen, dass die derzeit diskutierten Zölle die chinesischen Hersteller nicht daran hindern werden, ihre Marktanteile in Europa auszubauen. Die chinesischen Unternehmen haben signifikante Spielräume bei der Preisgestaltung – ihre Fahrzeuge werden beispielsweise in China deutlich günstiger angeboten als in Deutschland. Dies deutet darauf hin, dass die chinesischen Anbieter in der Lage sind, das Preisniveau in Europa zu senken und zusätzliche Kosten, einschließlich Importzölle, durch ihre flexible Preisgestaltung auszugleichen.

Zudem verlagern die chinesischen BEV-Anbieter wie BYD ihre Produktion weiter nach Europa. Die Lokalisierung könnte die Schutzwirkung höherer Einfuhrzölle erheblich verringern.

Politische Faktoren spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Länder wie die USA und Kanada haben bereits hohe Importzölle auf chinesische Elektrofahrzeuge erhoben, was den europäischen Markt mit seinen vergleichsweise niedrigen Zöllen für chinesische Exporte noch attraktiver gemacht hat. Generell wird in den westlichen Industrieländern die Forderung immer lauter, heimische Schlüsselindustrien vor der chinesischen Konkurrenz zu schützen, die möglicherweise durch direkte oder auch verdeckte Subventionen gefördert wird. Bei einer Veranstaltung mit den Finanzministern Janet Yellen und Christian Lindner im April in Frankfurt wurden entsprechende Appelle des Politikums der USA an die westeuropäischen Länder besonders deutlich. Darüber hinaus ist die grüne Agenda der EU-Kommission ebenfalls ein wesentlicher Aspekt im Umgang mit chinesischen EV-Herstellern. Die paneuropäischen Dekarbonisierungsziele lassen sich nach unseren Analysen nur durch eine breite Akzeptanz von Elektroautos erreichen. Hierfür sind erschwingliche E-Fahrzeuge erforderlich, die außer von europäischen Herstellern auch von chinesischen Anbietern bereitgestellt werden könnten.

Naheliegend ist, dass China hohe Zölle seinerseits mit ähnlichen Mitteln kontert. Zusätzlich sollte im Blick behalten werden, wie sich mögliche Handelsbarrieren auf die Innovationskraft und den Wettbewerb in der Branche auswirken könnten. Es besteht die Gefahr, dass Überregulierung und Protektionismus letztendlich die Marktdynamik bremsen und die Entwicklung neuer Technologien auch hierzulande behindern.

Zusammengefasst bedeutet dies, dass die Entscheidung, Importzölle zu erheben, eine politische Maßnahme ist, die das Tempo der Marktdurchdringung durch chinesische Hersteller möglicherweise etwas bremsen könnte. Sie wird jedoch nach unserer Einschätzung nicht verhindern, dass diese ihre Marktanteile in Europa weiter ausbauen. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass deutsche Hersteller die chinesischen Wettbewerber nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Ansporn für mehr Innovation und Kostenoptimierung begreifen. Nur so kann die heimische Automobilindustrie ihre Marktanteile in Europa und weltweit langfristig stabilisieren.

Drei
Welche Auswirkungen sehen Sie auf Produktion, Investitionsstrategien und Absatzpläne deutscher Automobilhersteller in China?

Die deutschen Automobilkonzerne sehen China nach wie vor als einen zentralen Absatzmarkt und intensivieren daher ihre Investitionen in lokale Produktions- und Innovationsstandorte. Die Analyse der bisherigen und geplanten Investitionen zeigt, dass deutsche Hersteller zunehmend erkennen, dass sie auf mittlere Sicht nur dann erfolgreich sein können, wenn sie die Bedürfnisse der chinesischen Kunden mindestens genauso gut verstehen wie ihre einheimischen Konkurrenten. Dies betrifft sowohl die Fahrzeuge selbst als auch die zugehörigen Software-Ökosysteme. Zudem müssen sie sicherstellen, dass ihre Elektrofahrzeuge sowohl preislich als auch technologisch wettbewerbsfähig bleiben.

Wir beobachten derzeit eine signifikante Verlagerung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der deutschen Automobilindustrie nach China. Das hat mehrere Gründe: Zum einen ermöglicht die Lokalisierung eine engere Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern, die inzwischen Spitzenleistungen erbringen. Zum anderen bietet die Nähe zu den chinesischen Kunden die Möglichkeit, deren Bedürfnisse und Vorlieben besser zu verstehen. Diese Entwicklung stützt unsere These, dass eine enge Kooperation mit der chinesischen Elektrofahrzeugindustrie positive Spillover-Effekte für die deutsche Automobilindustrie haben kann und eine Abschottung keine wünschenswerte Alternative darstellt. 

China entwickelt sich zunehmend zu einem globalen Forschungs- und Entwicklungszentrum für die Automobilindustrie, und die chinesische Regierung verfügt über Instrumente, um Vergeltungsmaßnahmen gegen europäische Hersteller zu ergreifen – etwa durch höhere Zölle oder Importbeschränkungen für europäische Verbrennungsmotorfahrzeuge, die in China oft zu hohen Preisen verkauft werden. Unsere Sensitivitätsanalysen zeigen eine starke Abhängigkeit der deutschen Hersteller vom chinesischen Markt. Vor diesem Hintergrund erscheint es umso wichtiger, eine ausgewogene europäische Handelspolitik gegenüber der chinesischen Elektroautoindustrie zu verfolgen, die einen gesunden Wettbewerb fördert und gleichzeitig verhindert, dass europäische Hersteller durch mögliche Gegenmaßnahmen der chinesischen Regierung gefährdet werden.

Pal Skirta
Pal Skirta

Mobility , Metzler Capital Markets

 Pal Skirta ist seit 2023 bei Metzler tätig. Im Geschäftsfeld Capital Markets ist er Analyst für den Bereich Mobility. Vor seiner Tätigkeit bei Metzler war er Graduate Analyst bei der Berenberg Bank in London. Herr Skirta erwarb 2022 den Master of Finance als Stipendiat der Stiftung der deutschen Wirtschaft sowie der Frankfurt School of Finance & Management. Während seines Studiums absolvierte er Praktika unter anderem bei Ernst & Young, der Commerzbank, Kepler Chevreux und Lupus Alpha.

Pal.Skirta@metzler.com

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Definitionen der Kategorien für Anlageempfehlungen

Die Kategorien für Anlageempfehlungen in Research-Publikationen von Metzler haben folgende Bedeutung:

  • Aktien
    • KAUFEN: Es wird erwartet, dass der Preis des analysierten Finanzinstruments in den nächsten 12 Monaten  steigt.
    • HALTEN: Es wird erwartet, dass der Preis des analysierten Finanzinstruments in den nächsten 12 Monaten weitestgehend stabil bleibt. 
    • VERKAUFEN: Es wird erwartet, dass der Preis des analysierten Finanzinstruments in den nächsten 12 Monaten sinkt.
  • Anleihen
    • KAUFEN: Es wird eine bessere Entwicklung des analysierten Finanzinstruments als für vergleichbare Finanzinstrumente vergleichbarer Emittenten erwartet.
    • HALTEN: Es wird erwartet, dass sich die Entwicklung des analysierten Finanzinstruments nicht wesentlich von der Entwicklung von vergleichbaren Finanzinstrumenten vergleichbarer Emittenten unterscheidet.
    • VERKAUFEN: Es wird eine schlechtere Entwicklung des analysierten Finanzinstruments als für vergleichbare Finanzinstrumente vergleichbarer Emittenten erwartet.

Übersicht über Anlageempfehlungen

Eine Liste aller Anlageempfehlungen zu jedem Finanzinstrument oder Emittenten, die Metzler in den vorangegangenen zwölf Monaten verbreitet hat, finden Sie unter Übersicht Anlageempfehlungen.

Die vierteljährliche Angabe über den Anteil aller Anlageempfehlungen, die auf „Kaufen“, „Halten“, „Verkaufen“ oder ähnlich für die vergangenen 12 Monate lauten, an der Gesamtzahl der Anlageempfehlungen von Metzler sowie die Angabe des Anteils dieser Kategorien, der auf Emittenten entfällt, denen gegenüber Metzler in den vergangenen 12 Monaten Dienstleistungen nach Anhang I Abschnitte A und B der Richtlinie 2014/65/EU erbracht hat, kann unter Anteil Anlageempfehlungen eingesehen und abgerufen werden.

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Die nach den aufsichtsrechtlichen Bestimmungen anzugebenden Interessenkonflikte sind detailliert unter Interessenkonflikte veröffentlicht.  

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