Weltmacht im Wandel
Narrative können bekanntlich hartnäckig sein – unabhängig davon, ob sie richtig oder falsch sind. Auch beim Thema Kapitalanlage setzen sich seit Generationen vermeintliche Gewissheiten durch, nach denen Investoren ihr Anlageverhalten ausrichten. Auf dem internationalen Börsenparkett gelten klassischerweise Staatsanleihen bester Bonität als der „sichere Hafen“. Steigt die wirtschaftliche oder geopolitische Unsicherheit, sind vor allem US-Staatsanleihen gefragt. Und das hat einen guten Grund: Die Vereinigten Staaten beheimaten die Weltreservewährung und sollten damit sogar in Krisenzeiten keine Probleme haben, internationale Kreditgeber zu finden.
Diesem Narrativ sollten Anleger jedoch nicht blind folgen. Die Historie zeigt, dass bislang keine Weltreservewährung von Dauer war. Etwa alle 100 Jahre kam es zu einem Wechsel, der mit dem Aufstieg und Fall großer Mächte einherging. Unübersehbar ist, dass auch die US-Wirtschaft – trotz ihrer hohen Innovationskraft – allmählich von „Alterserscheinungen“ heimgesucht wird. Dazu zählen der sinkende Anteil am Welthandel, das Wohlstandsgefälle sowie die hohe StaatsVverschuldung. Hinzu kommen interne politische Spannungen sowie externe Rivalitäten. Kritiker nehmen das zum Anlass, auch den Leitstatus des US-Dollars zu hinterfragen. Denn im Lichte der US-Sanktionspolitik mehren sich vielerorts staatliche Initiativen für eine sukzessive Abkehr vom Greenback.
Eine nüchterne Betrachtung der Fakten zeigt jedoch, dass der US-Dollar gar nicht so leicht „vom Thron zu stoßen“ ist. Mit einem Anteil von immer noch rund 60 % an den weltweiten Devisenreserven ist er nach wie vor die mit Abstand wichtigste Währung der Welt. Auch im Rohstoff- und Devisenhandel findet noch immer die große Mehrheit der Transaktionen unter Einbeziehung des US-Dollars statt. Der chinesische Yuan und andere Schwellenländerwährungen spielen dabei bislang nur eine untergeordnete Rolle. Eine echte Konkurrenz zum Greenback ist auch abseits vom Fiatgeld derzeit nicht in Sicht – und damit dürften die USA weiterhin in der Lage sein, ihre Schulden zu bedienen. Nichtsdestotrotz sollten sich Anleger bewusst machen, dass es bei der Vermögensanlage keine absolute Sicherheit gibt, denn es können sogar dort Risiken schlummern, wo man sie am wenigsten vermutet.
Umgekehrt sind andere schwankungsintensivere Anlageformen wie Aktien oftmals gar nicht so unsicher, wie es auf den ersten Blick scheint. Wichtig ist vor allem der richtige Umgang damit: Diversifikation und ein langfristiger Anlagehorizont sind das oberste Gebot. Aktuell scheinen Anleger das nicht immer zu beherzigen. Die anhaltende Euphorie rund um US-Technologieaktien führt mittlerweile zu nicht unerheblichen Klumpenrisiken in Portfolios und Indizes. Auch wenn die Rekordkurse mit Rekordgewinnen unterfüttert sind und damit eine Blasenbildung à la Dotcom zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich erscheint, sollten Anleger nicht alles auf eine Karte setzen. Bereits John Templeton wusste: „Der einzige Investor, der nicht diversifizieren sollte, ist der, der immer 100 Prozent richtig liegt“.