Eurozone: Neuwahlen in Frankreich trüben Stimmung
Frankreich im Fokus
Präsident Emmanuel Macron hat nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei bei den Europawahlen Neuwahlen ausgerufen. So scheint sich trotz wirtschaftlicher Erfolge eine Mehrheit der Franzosen von Präsident Macron abgewandt zu haben. Und die politischen Fronten sind klar abgesteckt: Die rechtsextreme und populistische Partei Rassemblement National (RN) unter Marine Le Pen führt in den Umfragen deutlich, während sich gleichzeitig eine starke linke Allianz formiert hat. Beide Lager wollen Reformen zurückdrehen und mehr soziale Wohltaten verteilen, was das aktuelle Defizit von etwa 5,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf besorgniserregende 9,0 Prozent erhöhen könnte. Diese Fiskalpolitik erinnert stark an die gescheiterten Maßnahmen der britischen Premierministerin Liz Truss, deren wirtschaftspolitisches Experiment Großbritannien 2022 in eine Krise stürzte.
Die Akteure an den Finanzmärkten reagieren bereits nervös auf diese Aussichten. Der Spread zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen hat sich ausgeweitet, was das wachsende Misstrauen der Investoren widerspiegelt. Diese sind – mit mehr als 50 Prozent gehaltener französischer Staatsanleihen – überwiegend ausländische Gläubiger, die bei schlechter Nachrichtenlage die Anleihen schneller abstoßen als inländische Gläubiger.
Aber auch mit neuen Mehrheitsverhältnissen im Parlament können politische Vorhaben durch das Veto-Recht des Präsidenten weitgehend blockiert werden. Eine befürchtete Ausweitung des Defizits dürfte somit von den Wahlsiegern nicht umgesetzt werden können – aber ebenso wenig wäre es möglich, notwendige Sparmaßnahmen umzusetzen. Damit steuert Frankreich auf Konflikte mit der EU zu: Solange das eingeleitete Defizitverfahren gegen Frankreich läuft, kann die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen des TPI (Transmission Protection Intstrument) keine französischen Staatsanleihen kaufen. Der französische Anleihemarkt ist also anfällig für Turbulenzen, die einen heilsamen Schock für die französische Politik auslösen könnten. Sollte die neue französische Regierung keine Staatsanleihen mehr platzieren können, müsste sie zwangsweise sparen.
Grundsätzliche politische Veränderungen in Frankreich sind erst 2027 nach den Präsidentschaftswahlen möglich. Sollte Marie LePen die nächste Präsidentin Frankreichs werden, droht der EU eine Zerreißprobe.
Populismus kostet viel Geld
Frankreich scheint sich also stärker in Richtung Populismus zu bewegen. Die Forscher des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) haben dazu eine umfangreiche historische Analyse durchgeführt, die bis ins Jahr 1900 zurückreicht und etwa 1.500 politische Führer in 60 Ländern untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass der Populismus eine lange Geschichte hat und es einige Länder gibt, in denen immer mal wieder populistische Parteien regierten. Auch scheint es ein starker Indikator für zukünftige populistische Tendenzen in einem Land zu sein, wenn es früher dort bereits einmal eine populistische Regierung gab. Der Populismus hatte zwei Höhepunkte laut der IfW-Analyse: die Große Depression in den 1930er-Jahren und die 2010er-Jahre. Das Jahr 2018 markierte dabei einen historischen Höchststand, als 16 der untersuchten 60 Länder von populistischen Regierungen geführt wurden.
Eine zentrale Erkenntnis ist, dass Populismus erhebliche wirtschaftliche Kosten mit sich bringt. Die Forscher des IfW verwendeten die Methode der synthetischen Kontrolle, um die wirtschaftlichen Auswirkungen populistischer Regierungen zu messen. Diese Methode vergleicht die tatsächliche Wirtschaftsentwicklung eines Landes unter populistischer Regierung mit einer hypothetischen Entwicklung (synthetische Kontrolle), die auf Daten aus ähnlichen Ländern ohne populistische Regierung basiert.
Die Ergebnisse zeigen, dass populistisch regierte Länder im Durchschnitt um etwa einen Prozentpunkt pro Jahr langsamer wachsen als vergleichbare Länder ohne populistische Regierungen. Dieser Wachstumsverlust ist sowohl kurzfristig (über fünf Jahre) als auch langfristig (über 15 Jahre) nachweisbar.
Die Forschung identifiziert mehrere Mechanismen, durch die Populismus wirtschaftliche Kosten verursacht:
- Politische Instabilität: Populistische Regierungen neigen dazu, politische Instabilität zu erzeugen, was das Vertrauen von Investoren und Unternehmen untergräbt.
- Wirtschaftspolitische Entscheidungen: Populisten verfolgen oft wirtschaftspolitische Maßnahmen, die kurzfristig populär, aber langfristig schädlich sind, wie exzessive Staatsausgaben, Handelsprotektionismus und die Missachtung von Institutionen.
- Institutionelle Schwächung: Populistische Regierungen untergraben oft die Unabhängigkeit und Effektivität von Institutionen, was Regierungsführung und wirtschaftliche Stabilität beeinträchtigen.
Die Briten scheinen inzwischen erkannt zu haben, dass die populistische Politik des Brexits erhebliche wirtschaftliche Schäden verursacht hat. So waren laut der Umfrage von YouGov im Juni 2016 die Befürworter eines EU-Austritts klar in der Mehrheit. In der jüngsten Umfrage beurteilten 56 Prozent den EU-Austritt als einen Fehler und nur noch 32 Prozent als einen richtigen Schritt. Im Einklang mit der Analyse des Instituts für Weltwirtschaft hat sich auch das Wirtschaftswachstum in Großbritannien seit 2016 deutlich verlangsamt.
Großbritannien könnte als mahnendes Beispiel für Frankreich dienen – es bleibt zu hoffen, dass die Politik dies den Wählerinnen und Wählern in Frankreich vermitteln kann.
Eurozone: Kommt der dringend benötigte Inflationsrückgang?
Im Juni verzeichneten die Einkaufsmanagerindizes (Montag und Mittwoch) einen empfindlichen Rücksetzer. Anscheinend sind viele Unternehmen in der Eurozone besorgt wegen der politischen Entwicklungen in Frankreich. Da es sich bisher nur um Sorgen handelt, sehen wir den Aufschwung in der Eurozone als intakt an. So dürfte die Arbeitslosenquote (Dienstag) im Mai auf dem Rekordtief von 6,4 Prozent im April verharren. In der Eurozone dürfte Deutschland das Schlusslicht beim Wachstum sein – mit schwachem Auftragseingang (Donnerstag) und schwacher Industrieproduktion (Freitag).
Die EZB senkte im Juni den Leitzins aufgrund der Erwartung, dass die Inflation zukünftig fallen dürfte. In den vergangenen Monaten hatte die Kerninflation jedoch eine sehr hässliche kurzfristige Dynamik – zuletzt lag die Preissteigerungsrate der Konsumentenpreise ohne Energie und Lebensmittel im Mai über drei Monate bei 3,4 Prozent. Sollte die Inflation im Juni ähnlich stark gestiegen sein wie in den Monaten davor, droht der Inflationsrückgang zu einem Stillstand zu kommen oder die Inflation könnte sich sogar erhöhen. Die EZB dürfte dann nicht wie von uns erwartet den Leitzins im September senken. Eine hartnäckig hohe Inflation bei gleichzeitigem Konjunkturaufschwung würde im Zweifel sogar bedeuten, dass es sich beim nächsten Zinsschritt um eine Erhöhung handeln könnte.
USA: Konjunktur in Abkühlungsphase
Grundsätzlich dürfte die konjunkturelle Abkühlungsphase mit einem einigermaßen stabilen Arbeitsmarkt (Freitag) einhergehen. So schwankten die monatlichen Neueinstellungen zwischen Februar 2023 und Mai 2024 um einen Mittelwert von etwa 230.000 Personen – in einer stabilen Seitwärtsbewegung. In der Tendenz dürfte sich dieses Tempo in den kommenden Monaten auf ein Niveau von etwa 150.000 neuen Beschäftigten pro Monat verlangsamen. Damit dürfte auch eine sinkende Zahl an offenen Stellen (Dienstag) einhergehen. Die US-Konjunktur ginge es damit immer noch gut und sie dürfte ein Wachstum von etwa 2,0 Prozent in diesem Jahr und von 1,4 Prozent 2025 erreichen.
Aufgrund mehrheitlich überraschend hoher Inflationsdaten seit Jahresanfang äußerten sich Mitgliedes des Offenmarktausschusses zuletzt eher falkenhaft. Die Wahrscheinlichkeit für eine Leitzinssenkung schon im Juli ist damit nur sehr gering – wie das Protokoll der vergangenen Sitzung der US-Notenbank zeigte. Derzeit rechnen wir mit einem Zinsschritt im September.
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