„Das ist der schönste Job, den man haben kann“
Metzler ist anders als die anderen - und stolz darauf. Wer die Räume im Bankhaus unmittelbar am Main in Frankfurt betritt, hat das Gefühl, in einem großen Wohnzimmer gelandet zu sein. Im Foyer im ersten Stock steht das berühmte blaue Sofa - von der Familie Metzler in Auftrag gegeben und 1804 in Paris hergestellt. Vorstandssprecher Gerhard Wiesheu, der mit einer Japanerin verheiratet ist und fließend Japanisch spricht, serviert dem Gast ”Metzler-Räuchertee”, der hält, was der Name verspricht. In diesem Jahr wird Metzler 350 Jahre alt - und ausgerechnet im Jubiläumsjahr hatte manche Zeitung kritische Zeilen zum Traditionshaus im Blatt. Markus Lachmann, Chefredakteur von FinanzBusiness, befragte den Vorstandssprecher, wie das Bankhaus Tradition und Moderne vereinbaren will.
FinanzBusiness: Herr Wiesheu, Sie haben lange Zeit das Außengeschäft von Metzler betreut, jetzt sind Sie seit einem Jahr Vorstandssprecher. Wie fühlt sich der Wechsel von „Außenminister“ zum „Premierminister“ an?
Wiesheu: (lacht) „Ich weiß gar nicht, wer mir diesen Namen gegeben hat. Als ‚Außenminister‘ habe ich mich nie gefühlt. Es macht mir Freude, auf Menschen zuzugehen. Ob das nun in Japan, den USA oder unserem Hauptmarkt Deutschland ist. Der Wechsel zur Rolle des Vorstandssprechers war nicht so groß, wie man vielleicht denken könnte, denn ich kenne das Haus und seine Geschäftsbereiche seit 23 Jahren. Besonders freut es mich, diese Funktion im Jahr des 350-jährigen Bestehens des Bankhauses auszuüben.“
Bei Metzler ging bereits Bismarck ein und aus. Wie schaffen Sie es, Tradition und Moderne im Zeitalter der Digitalisierung zu vereinbaren?
„Das ist ein wichtiger Punkt, den wir im Bankhaus auch aktiv vorantreiben. Wir haben im vergangenen Jahr eine weiterentwickelte Strategie verabschiedet und unsere vier Geschäftsfelder genau angeschaut. Unser Haus treibt die Digitalisierung aktiv voran. Wir verfügen über ein eigenes Digital Assets Office, haben die Tokenisierung von Kryptofondsanteilen als erste Bank in Deutschland auf den Weg gebracht und das Handeln mit Dritten auf Blockchain-Basis mehrfach erfolgreich durchgeführt. Im Konsortium der EZB zum Test des Digitalen Euros sind wir Mitglied. Metzler ist Joint Bookrunner bei der ersten digitalen, Blockchain-basierten Anleihe der KfW. Wir wollen genau verstehen, wo die Reise hingeht und was das für unser Haus und unsere Kunden bedeutet.“
Was bedeutet das für die Struktur Ihres Hauses, auch personell?
„Wir sehen den technologischen Wandel als große Chance für unser Haus. Sie kennen die demografische Entwicklung, und da kann vor allem Digitalisierung helfen. Ich nenne ein Beispiel: Eine Aktie könnte in der Zukunft ein Token sein, der selbst handelt, bis er aus dem Markt genommen wird. Das könnte dann verschiedene Automatisierungen ermöglichen. Ein anderes Beispiel wäre Künstliche Intelligenz, die zum Beispiel Analysten die Arbeit erleichtern könnte. Andere Einsatzmöglichkeiten wären etwa im Vertragswesen oder bei ’Know-Your-Customer’ (KYC) denkbar.“
In der Presse kam als Quintessenz rüber: Metzler baut zehn Prozent der etwa 800 Stellen ab.
„Hier spielen vor allem die Babyboomer eine große Rolle, die peu à peu in den Ruhestand gehen werden. Die natürliche Fluktuation ist also ein wichtiger Faktor. Daneben nutzen wir die Verlängerung der bestehenden Altersteilzeitregelung und das Angebot, neue Rollen im Unternehmen zu übernehmen. Gleichzeitig sehen wir Wachstumsbereiche. Einen Teil davon kann man bereits bis 2028 überschauen. Deshalb habe ich gesagt: Es kann sein, dass wir mittel- und langfristig sogar mehr Mitarbeiter haben als heute. Natürlich reagieren Menschen auf Veränderungen unterschiedlich. Unser Ziel ist dabei immer, Veränderungen allen Kolleginnen und Kollegen bestmöglich einzuordnen und das Haus zukunftssicher aufzustellen.“
Wie weh tun Schlagzeilen wie in der „Welt“ - „Metzler – ein Mythos bröckelt“?
(schmunzelt) „Ich komme jeden Tag in die Bank und kann ihnen versichern: Da bröckelt nichts. Wir sind auch kein Mythos. Wir sind eine Privatbank, seit 350 Jahren in ununterbrochenem Familienbesitz, die ihr Geschäft vernünftig macht und stolz ist auf ihre Unabhängigkeit.“
Sie haben die Unruhe im Haus angesprochen: Wie wichtig ist es, die Mitarbeiter in einem solchen Strukturwandel mitzunehmen?
„Sehr wichtig. Wir haben die interne Kommunikation ausgebaut, etwa über Early Morning Meetings und Townhalls. Unser Intranet wird intensiv genutzt. Es heißt Emma – nach Emma Metzler. Für uns ist es auch wichtig, uns mit der 350 Jahre alten Geschichte des Hauses auseinanderzusetzen, seinem Selbstverständnis. Das Bankhaus hat viele Krisen über die Jahrhunderte überstanden: Kriege, Napoleon, Große Depression. Da durchzukommen, das ist das eine. Aber dann auch die Chancen zu nutzen, sich stetig anzupassen, das ist das andere. Das haben wir uns erhalten, das ist unsere DNA.“
Können Sie was zu den Wachstumsfeldern sagen?
„Metzler hat vier Geschäftsbereiche: Asset Management, Private Banking, Corporate Finance und Capital Markets. Im Asset Management wächst zum Beispiel der Bereich Pension Management stark. Wir haben in der Zwischenzeit 400.000 Versorgungsberechtigte, bilden Konzernstrukturen ab. Vor Kurzem haben wir uns mit der Nürnberger Versicherung auf die Übernahme ihres Pensionsfonds geeinigt. Dieser gewährt uns Zugang zu KMUs, für welche die betriebliche Altersversorgung immer wichtiger wird. Im Private Banking sind wir der Anbieter am Markt, der besonders durch seine Unabhängigkeit heraussticht. Es gibt viele Unternehmerinnen und Unternehmer, die möchten, dass das Geld, was sie erwirtschaftet haben, in sicheren Händen ist. Das ist bei einem seit 350 Jahren familiengeführten Unternehmen der Fall.“
Private Banking bei Ihnen ist hoch profitabel. Jetzt kommen andere Player auf den Markt, es gibt viel Bewegung. Wie behaupten Sie sich da?
„Diese Dynamik spielt in unsere Richtung, weil wir unabhängig sind und unsere Kunden ausschließlich in deren Interesse beraten, aus einer starken Position heraus, ohne Fremdeinwirkung. Wir entscheiden, was für den Kunden aus unserer Sicht gut ist – und müssen keine eigenen Produkte zusätzlich in die Vermögensverwaltung integrieren. Alles ist transparent: Wir investieren in Aktien, Renten und Cash – und das war es. Kein Private Equity, nichts. Ohne versteckte Kosten und mit intensiver Betreuung in ganz Deutschland. Als Standorte haben wir Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, München und Stuttgart. Jetzt eröffnen wir Berlin. Hier haben wir vor Kurzem Marc Schwarzer als Leiter der Geschäftsstelle eingestellt.“
Was war der Grund, sich für den Standort Berlin zu entscheiden?
„Wir haben früher Berlin vor allem aus Hamburg betreut. Jetzt war die Zeit reif, auch in der Hauptstadt präsent zu sein, direkt vor Ort. Denn dort sitzen unter anderem viele Start-ups und junge Unternehmer. Zudem wollen wir den gesamten ostdeutschen Raum von Berlin aus begleiten.
Wie sieht es bei Capital Markets und Corporate Finance aus?
„Ein großer Schwerpunkt bei Capital Markets ist für uns der Bereich Corporate Solutions, in dem wir Unternehmen unter anderem bei Börsengängen, Kapitalerhöhungen oder Anleiheemissionen begleiten. Hier machen sich die transformatorischen Veränderungen, vor denen Unternehmen und Investoren stehen, klar bemerkbar. Der Refinanzierungsbedarf wird steigen, sowohl bei Eigen- als eben auch über Fremdkapital. Als eines der wenigen Häuser bieten wir unseren Kunden ein eigenes Research für die Emittenten. Wir haben tiefen Einblick in die Unternehmen. Das ist ein Geschäft, das dynamisch wachsen wird. Gleiches gilt für Corporate Finance, etwa mit Blick auf die steigende Zahl an Nachfolgesituationen. Die Bereitschaft, ein Unternehmen oder Teile davon zu veräußern, nimmt zu.“
Ist Metzler hier nicht zu spät rein?
„Wir haben das Geschäft schon immer gemacht, jetzt geben wir hier noch mehr Gas. Die Vorzeichen haben sich geändert. Stichwort Kapitalmarktunion. Deshalb investieren wir hier noch mehr. Was unsere vier Geschäftsfelder gemeinsam haben, ist, dass sie nicht von einem bilanzwirksamen Geschäft getrieben sind. Wir haben kein Kreditgeschäft im klassischen Sinn, auch keinen Eigenhandel. Dieses Risikogeschäft überlassen wir den ‚Big Boys‘ und konzentrieren uns auf die Beratung. Auch im Bereich Corporate Finance bieten wir die klassische M&A-Beratung an. Das heißt, unser Risiko-Appetit ist moderat.“
Wie ist denn die Stimmung bei den Unternehmern?
„Die Unternehmer agieren momentan nach dem Prinzip ‚wait and see‘. Viele nutzen die Zeit, um zu restrukturieren, ob das nun große mittelständische Unternehmen sind oder Hidden Champions. Ich denke, ganz so negativ, wie die Situation dargestellt wird, ist sie nicht. Bei Corporate Finance ist die Pipeline gut gefüllt. Wir arbeiten an zahlreichen Deals. Der Gesamtmarkt ist zwar nicht da, wo wir ihn eigentlich haben wollen. In den USA brummt der Markt momentan. In Deutschland und Kontinentaleuropa ist er aber noch sehr verhalten.“
Wie ist das erste halbe Jahr für das Bankhaus Metzler gelaufen – und werden sie ihre Jahresziele erreichen?
„Wir sehen, dass die Umsetzung unserer Strategie greift. Wir sind sehr zufrieden mit dem ersten halben Jahr. Wenn es so weiterläuft, könnten wir die Jahresziele sogar übertreffen.“
Blick in die Zukunft: Treten wir Ihnen zu nahe, wenn wir Sie als Mann des Übergangs bezeichnen?
„Keineswegs. Ich bin mehr als zwei Jahrzehnte dabei und die Familie hat mich gefragt, ob ich das Bankhaus in die nächste Generation führen kann und möchte. Das habe ich gerne angenommen, denn es macht mir große Freude, für dieses Haus zu arbeiten. Die nächste Generation ist bereits im Unternehmen, Elena und Leonhard von Metzler sind im Aufsichtsrat, Franz von Metzler im Vorstand und zuständig für das Asset Management. Sie alle tragen schon jetzt maßgeblich zum Erfolg der Bank bei und wir arbeiten sehr gut und eng zusammen. Das ist der schönste Job, den man haben kann.“
Das Interview führte Markus Lachmann für FinanzBusiness.