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Information für professionelle Anleger - 18.6.2024

Stimmen zur Biodiversität

Dr. Christof Schenk, Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt

Biodiversität muss zur Grundlage allen Handelns werden

Dr. Christof Schenck ist Biologe, Naturschützer und Experte für Wälder, Savannen und tropische Ökosysteme. Er ist Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, der ihr angegliederten Stiftung Hilfe für die bedrohte Tierwelt und der Frankfurt Conservation Center gGmbH.

Der Begriff „Biodiversität“ oder „biologische Vielfalt“ erschien erstmals auf der Weltbühne vor 32 Jahren. Damals wurde bei der UN Konferenz in Rio de Janeiro die Konvention der Biodiversität (Convention on Biological Diversity, CBD) verabschiedet. Biodiversität ist ein Kunstwort und beschreibt die Vielfalt der Gene, der Arten und der Ökosysteme. Kurz: Das Leben auf dieser Erde.

Wir Menschen sind auf Gedeih und Verderb von der Biodiversität abhängig. Arten und Ökosysteme speichern Kohlenstoff, reinigen Luft und Wasser, geben uns Nahrung, Rohstoffe und Medikamente. Mit dem Kopieren von Konstruktionen, die sich in Millionen von Jahren entwickelt haben, machen wir Oberflächen schmutzabweisend (Lotusblatt), finden neue Verschlüsse (Klettfrüchte) oder optimieren Saugnäpfe (Kraken). 70 Prozent der medizinischen Inhaltsstoffe stammen aus dem Pflanzenreich, und drei Viertel unserer Nutzpflanzen werden von Insekten bestäubt. Die unentgeltlich erbrachte Leistung der Bestäuber entspricht 500 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Biodiversität
Grafik von Jerker Lokrantz/Azote

Angesichts abnehmender Arten und Lebensräume und zunehmender Umweltprobleme hatte sich die Weltgemeinschaft auf dem Erdgipfel 1992 zum Schutz der Biodiversität verpflichtet. Heute, 15 Vertragsstaatenkonferenzen später, sieht es zappenduster aus. Eine Million Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Geschätzt verlieren wir mehr als 100 Arten pro Tag. Die Aussterbegeschwindigkeit hat sich mehr als 100-fach erhöht. Die globalen Wirbeltier-Populationen nahmen seit 1970 um mehr als 60 Prozent ab. Ganze Ökosysteme büßen ihre Leistungsfähigkeit ein. Wir haben das 6. Massensterben seit Erdbeginn vor 4,6 Milliarden Jahren eingeleitet. Das erste, das nicht von kosmischen Katastrophen oder gigantischen Vulkanausbrüchen ausgelöst wird, sondern von nur einer Art: Homo sapiens. Wir haben uns selbst in eine gigantische, globale Dreifachkrise aus Klimawandel, Biodiversitätsschwund und Pandemien manövriert.

Und alles hängt auch noch zusammen: Wird zum Beispiel Tropenwald vernichtet, entweicht CO2, wertvolle Arten verschwinden und in verarmten Lebensgemeinschaften treffen Viren nicht mehr auf viele Immunsysteme, an die sie sich nur schwer anpassen können, sondern auf ganz wenige Arten: den Mensch und seine Haustiere. Und die dafür in hoher Zahl. 

Fest steht: 80 Prozent der Nachhaltigkeitsziele lassen sich nicht erreichen, wenn der Schwund der Biodiversität nicht gestoppt wird. Biodiversität muss daher zur Grundlage allen Handels werden. Eine gigantische Transformation liegt vor uns.

Dr. Tobias Raffel, Nachhaltigkeitsmanager

Natur ist unser wichtigster Dienstleister

Dr. Tobias Raffel ist ein deutscher Nachhaltigkeitsmanager und Biodiversitätsexperte. Der promovierte Sozialwissenschaftler forscht als Gastwissenschaftler an der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und der ESMT Berlin zur Schnittstelle von Biodiversität und Wirtschaft.

Eindrücklicher als der Penny-Markt in Hannover-Langenhagen kann man kaum demonstrieren, wie abhängig unsere Wirtschaft von den Leistungen intakter Natur ist: Kurz bevor die ersten Kunden den Laden betraten, räumten Mitarbeiter alle Waren aus den Regalen, die es ohne natürliche Bestäubung nicht gäbe. 60 Prozent der Regale blieben leer: Kein Obst, kein Gemüse, kein Kaffee, keine Schokolade. Weder Gummibärchen noch Tiefkühl-Pizza oder Wattepads.

Für die meisten Branchen gilt: Die Natur ist unser wichtigster Dienstleister und Zulieferer. Die Bauindustrie benötigt Holz, die Modeindustrie natürliche Fasern und die Pharmaindustrie genetische Materialien. Laut World Economic Forum (WEF) hängen über 50 Prozent des globalen BIP direkt oder indirekt an den Leistungen der Natur. Entsprechend sägen wir an dem Ast, auf dem wir sitzen, wenn wir die Natur weiter zerstören.

Getrieben von der Regulatorik aus Brüssel – Stichwort CSRD – beschäftigen sich heute immer mehr Unternehmen mit den Risiken, die der globale Biodiversitätsverlust für ihre Produktionsprozesse, Lieferketten und Geschäftsmodelle bedeutet. Ab dem Geschäftsjahr 2024 müssen sie erstmals verpflichtend über ihre Abhängigkeiten von und Auswirkungen auf die Biodiversität berichten. Für viele ist das eine große Herausforderung, weil Datenpunkte fehlen, Metriken unklar sind und das Thema vergleichsweise neu ist: Nur 5 Prozent der Fortune-500-Unternehmen haben sich bereits Biodiversitätsziele gesetzt, verglichen mit 83 Prozent beim Thema Klima. Zu einer umfassenden Biodiversitätsstrategie gehört natürlich nicht nur, Risiken zu managen. Wer sich mit dem Wechselspiel von Wirtschaft und Natur genauer beschäftigt, erkennt vielfältige Chancen für Unternehmen und Investoren. Das WEF schätzt, dass wir jährlich 10,1 Billionen US-Dollar an zusätzlichen Umsätzen erzielen, wenn wir stärker mit der Natur statt gegen sie wirtschaften. Konkret heißt das: Produktionsprozesse zirkulärer und damit effizienter gestalten. Naturbasierte Lösungen nutzen, wenn sie technischen Lösungen überlegen sind. Sich Ideen bei der Natur abschauen, Nature-Tech-Innovationen entwickeln und neue Naturmärkte erschließen. 

Investoren können bei dieser Transformation wesentliche Impulsgeber und Multiplikatoren sein, indem sie Biodiversitätsrisiken systematisch berücksichtigen und einpreisen, stärker in natur-positive Lösungen investieren und neue Finanzprodukte entwickeln und skalieren helfen, die sowohl ökologisch sinnvoll als auch finanziell lohnend sind.

Das Magazin für den institutionellen Anleger

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