US-Inflation im Sinkflug
Inflation unter Kontrolle: Globalisierung als Bremse, Produktivität als Treiber
Solange die Weltwirtschaft stark globalisiert bleibt, dürfte die Inflation kein gravierendes Problem darstellen. In hochentwickelten Volkswirtschaften, die mit einer übermäßigen Nachfrage konfrontiert sind, bietet sich in der Regel die Möglichkeit, mehr zu importieren und dadurch den inländischen Preisauftrieb zu dämpfen. Dies ist ein wesentlicher Vorteil der „Hyperglobalisierung“, die es ermöglicht, exzessive Inflationsentwicklungen durch den globalen Handel abzufangen. Aktuell hat der Welthandel einen Anteil von etwa 60 Prozent am globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP). Zum Vergleich: In den 1960er- und frühen 1970er-Jahren lag dieser Anteil noch bei unter 20 Prozent, wodurch eine binnenwirtschaftliche Inflation deutlich schneller entstehen konnte.
Vor diesem Hintergrund ist die in diesem Jahr weltweit beobachtete, historisch ungewöhnlich schnelle Normalisierung der Inflation bemerkenswert. Während es in der Vergangenheit oft Jahre dauerte, bis nach einem Inflationsschock wieder normale Inflationsniveaus erreicht wurden, scheint die Rückkehr zur Preisstabilität heute schneller zu erfolgen. Experten führen dies unter anderem auf die immer noch fortschreitende Integration der globalen Lieferketten zurück, die eine raschere Anpassung an wirtschaftliche Schocks ermöglichen.
Sollte Donald Trump die US-Präsidentschaftswahlen gewinnen und einen globalen Handelskrieg anzetteln, könnte sich dadurch das globale Inflationsumfeld grundlegend verschlechtern.
Verzerrung bei Inflationsmessung durch außergewöhnliche Schocks
Gleichzeitig gibt es jedoch Hinweise darauf, dass die Berechnung der saisonal bereinigten Inflationsdaten in diesem Jahr durch außergewöhnliche Faktoren verzerrt ist. Die saisonale Bereinigung ist ein statistisches Verfahren, das die typischen monatlichen Schwankungen glättet, um einen realistischeren Blick auf die Preisdynamik zu ermöglichen. Doch die erheblichen Schocks durch die Coronapandemie und den Krieg in der Ukraine beeinflussen nach wie vor die Datengrundlage. Insbesondere in der ersten Jahreshälfte scheint die monatliche Inflationsdynamik überschätzt worden zu sein, während für die zweite Jahreshälfte eine Unterschätzung wahrscheinlich ist. Vor diesem Hintergrund waren in den vergangenen beiden Monaten sehr schwache Inflationsdynamiken in den USA und in Europa zu beobachten.
Produktivitätswachstum als Inflationsbremse
Darüber hinaus lässt sich eine signifikante Beschleunigung des Produktivitätswachstums in den Vereinigten Staaten feststellen. US-amerikanische Unternehmen scheinen die Potenziale der Künstlichen Intelligenz (KI) besonders schnell zu nutzen, was sich positiv auf ihre Effizienz auswirkt. Dieses hohe Produktivitätswachstum übt einen dämpfenden Einfluss auf die Inflation aus, da Unternehmen in der Lage sind, mit weniger Ressourcen mehr zu produzieren. Höhere Produktivität senkt in der Regel die Produktionskosten, was wiederum zu niedrigeren Endverbraucherpreisen führt.
Markterwartungen: Niedrige Inflationszahlen und mögliche Zinssenkungen
Angesichts dieser Faktoren deutet alles auf niedrige Inflationszahlen (Donnerstag) in den USA im September hin. Ebenso dürfte die am Freitag erwartete Erzeugerpreis-Inflation einen moderaten Verlauf zeigen. Dies verstärkt die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Notenbank im November eine Zinssenkung um 50 Basispunkte in Erwägung zieht. Eine solche geldpolitische Lockerung wäre ein starkes Signal, dass die Federal Reserve den Inflationsdruck als ausreichend unter Kontrolle betrachtet, um das Wirtschaftswachstum zu unterstützen.
Allerdings wird die Notenbank voraussichtlich weiterhin vorsichtig agieren und sich nicht zu früh festlegen. Deshalb ist nicht damit zu rechnen, dass das Protokoll der vergangenen Sitzung der Fed, das am Mittwoch veröffentlicht wird, neue Erkenntnisse zur künftigen Zinspolitik liefern wird. Spannend wird zudem der Blick auf den Geschäftsklimaindex der kleineren und mittleren Unternehmen (NFIB) am Dienstag, der Aufschluss über die Stimmung im wichtigen Mittelstandssektor geben könnte.
Japan: Leitzinserhöhung weiter auf der Agenda
Japan bleibt der Außenseiter: Während die meisten Zentralbanken weltweit die Zinsen entweder senken oder stabil halten, sticht die Bank von Japan mit einer ungewöhnlichen Politik hervor. Im September 2024 gab es weltweit insgesamt 27 Leitzinssenkungen – ein Niveau, das zuletzt im Dezember 2008 mit 28 Leitzinssenkungen erreicht wurde. Diese globalen geldpolitischen Lockerungen spiegeln die anhaltenden Bemühungen wider, auf die schwache Konjunktur und die moderaten Inflationserwartungen zu reagieren.
Der japanische Sonderweg lässt sich auf die einzigartige geldpolitische Ausgangslage des Landes zurückführen. Im Gegensatz zu fast allen anderen Zentralbanken, die in den Jahren 2022 und 2023 die Zinsen im Zuge der stark ansteigenden globalen Inflation anhoben, sah die Bank von Japan aufgrund der anhaltend schwachen inländischen Inflationsdynamik keinen Handlungsbedarf.
Doch nun deutet sich eine Wende an: Jüngste Daten zeigen eine merkliche Beschleunigung der Lohndynamik und des privaten Konsums (Dienstag). Insbesondere das Wachstum der Reallöhne, das lange als Achillesferse der japanischen Wirtschaft galt, zieht spürbar an. Angesichts dieser Entwicklungen wird eine Leitzinserhöhung der Bank von Japan im Dezember zunehmend wahrscheinlicher.
Der wirtschaftliche Aufschwung in Japan geht jedoch mit einem delikaten Balanceakt einher. Während höhere Löhne und Konsumausgaben die Gefahr eines stärkeren Preisdrucks bergen, versucht die Bank von Japan, die Inflation weiterhin moderat zu halten, ohne die fragile wirtschaftliche Erholung zu gefährden. Zudem bleibt die demografische Entwicklung – eine alternde Bevölkerung und schrumpfende Erwerbsbevölkerung – eine strukturelle Herausforderung für nachhaltiges Wachstum und Preisstabilität. Die Bank von Japan steht daher vor der schwierigen Aufgabe, eine Zinswende vorsichtig und abgestimmt auf die wirtschaftlichen Bedingungen des Landes einzuleiten.
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