Die Bondrisikoprämie ist zurück
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Bondmärkte in einem turbulenten Umfeld
Die Entwicklung am US-Staatsanleihemarkt ist historisch: 2021 verlor der ICE BofA Index der US-Staatsanleihen etwa 2,4 Prozent und 2022 etwa 12,9 Prozent. Bis Ende September dieses Jahres summierte sich der Verlust im Jahr 2023 auf bisher 1,8 Prozent. In der gesamten Finanzmarktgeschichte der USA (mehr als 200 Jahre) gab es noch nie drei Jahren in Folge Verluste bei US-Staatsanleihen.
Um die Wertentwicklung am US-Staatsanleihemarkt besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Entwicklung der Rendite einer 10-jährigen Staatsanleihe. So kann die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen gedanklich unterteilt werden in den durchschnittlich erwarteten Leitzins in den nächsten 10 Jahren plus einer Bondrisikoprämie. Die Bondrisikoprämie kann allerdings nicht direkt abgelesen werden, sondern muss mithilfe komplexer Modelle geschätzt werden – wie unter anderem von der Federal Reserve Bank of New York. Laut deren Schätzungen war die Bondrisikoprämie von Anfang 2015 bis August dieses Jahres überwiegend negativ. Der Renditeanstieg von 2020 bis Ende August 2023 war also überwiegend auf gestiegene mittelfristige Leitzinserwartungen zurückzuführen. Im September machte nun auch die Bondrisikoprämie einen Sprung in den positiven Bereich von noch -0,0 Prozent Ende August auf 0,15 Prozent Ende September und trug damit maßgeblich zum Renditeanstieg im September bei. Die Bondrisikoprämie ist jedoch immer noch im historischen Vergleich niedrig; so liegt der historische Durchschnitt der Bondrisikoprämie bei etwa 1,5 Prozent.
Quellen: Refinitiv Datastream, Metzler; Stand: 30.9.2023
Bondrisikoprämie = Bonitätsrisiko + Inflationsrisiko
USA: Im August war die Bondrisikoprämie noch negativ bei - 0,5 Prozent-Punkten, der historische Durchschnitt liegt bei 1,5 Prozent-Punkten
Grundsätzlich setzt sich die Risikoprämie für Staatsanleihen aus dem Bonitäts- und dem Inflationsrisiko zusammen. In den USA gibt es jedoch kein Bonitätsrisiko, da die USA in eigener Währung verschuldet sind und jederzeit die benötigten US-Dollar „drucken“ können. Die einzelnen Mitgliedsländer der europäischen Währungsunion dagegen haben keine eigene Zentralbank mehr und unterliegen somit einem Bonitätsrisiko. Während der europäischen Staatsschuldenkrise äußerte sich das Bonitätsrisiko darin, dass Länder wie Griechenland keine Käufer mehr für Staatsanleihen finden konnten und die EZB keine griechischen Staatsanleihen kaufte. In den USA könnte es aufgrund der steigenden Staatsverschuldung nun auch zu einem Käuferstreik kommen, in diesem Fall würde jedoch die US-Notenbank eingreifen und Staatsanleihen kaufen. Damit würde sie „frisch gedrucktes Geld“ in den Umlauf bringen, was die Inflationsrisiken erhöht. Für US-Staatsanleihen besteht also nur ein Inflationsrisiko; so ist es wenig überraschend, dass ein ungewöhnlich guter Zusammenhang zwischen dem Inflationstrend und der Bondrisikoprämie zu beobachten ist.
Quellen: Fred, FRB New York, Refinitiv Datastream, Metzler; Stand: 30.9.2023
Inflationstrend bestimmt maßgeblich die Bondrisikoprämie
Es stellt sich also die Frage nach den mittelfristigen Inflationsrisiken und in diesem Zusammenhang nach der Wahrscheinlichkeit, dass die US-Notenbank am Staatsanleihemarkt intervenieren muss. So prognostiziert die Haushaltsbehörde des US-Kongresses, dass die Staatsschulden in den kommenden Jahren neue Rekorde erreichen werden. Der Grund dafür ist, dass mit dem Eintritt der Baby Boomer in die Rente die Ausgaben für Social Security and Medicare erheblich steigen werden. Gleichzeitig wird auch die Zinslast des amerikanischen Staates erheblich steigen.
Quellen: CBO, Metzler; Stand: 31.12.2022
USA: Dramatisch steigende Staatsschulden prognostiziert
Die steigenden Schulden und Staatsdefizite bedeuten, dass der US-Staat laufend Staatsanleihen in einem großen Volumen emittieren muss. Allein in diesem Jahr summiert sich das Staatsdefizit auf etwa 2,0 Billionen USD, was auch die Hausnummer für das nächste Jahr sein könnte. Darüber hinaus reduziert die US-Notenbank im Rahmen von Quantitative Tightening ihre Bilanz und verkauft für etwa 1,0 Billionen USD pro Jahr Staatsanleihen. Auch werden täglich Staatsanleihen fällig, die neu am Markt refinanziert werden müssen. Laut Bloomberg muss die US-Regierung im nächsten Jahr etwa 4,5 Billionen USD an Staatsanleihen refinanzieren. 2024 könnten somit Staatsanleihen mit einem Gesamtvolumen von 7,5 Billionen USD auf den Markt kommen – bei einer Größe des Gesamtmarktes von 26 Billionen USD laut Bloomberg. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass es immer weniger Käufer gibt, die unabhängig von der gebotenen Rendite einen großen Anlagebedarf haben – wie ausländische Zentralbanken und Staatsfonds. Das heißt, dass die zur Finanzierung der Defizite erforderlichen neuen Anleger nur dann US-Staatsanleihen kaufen werden, wenn der Preis stimmt. Dieses sich abzeichnende Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage hat natürlich keine Auswirkungen auf die Leitzinserwartungen, sondern voraussichtlich nur auf die Risikoprämie. So könnte eine höhere Risikoprämie in Zukunft notwendig sein, um genügend Käufer für US-Staatsanleihen zu begeistern. Wir schätzen laut unserer Regression, dass die Risikoprämie in den kommenden Monaten bis auf 0,5 Prozent steigen wird – sehen aber Risiken eines Überschießens.
Quellen: Fred, FRB New York, Refinitiv Datastream, Metzler; Stand: 30.9.2023
Modell bestehend aus: Inflationstrend, Bilanz der US-Notenbank, Ausländische Anlage in US-Staatsanleihen
Bondrisikoprämie: Merklicher Anstieg in den kommenden Monaten zu erwarten
Wir können uns vor diesem Hintergrund vorstellen, dass die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen in den kommenden Monaten in der Spitze bis auf 5,5 Prozent steigen könnten und die Renditen 10-jähriger Bundesanleihen auf 3,5 Prozent.
USA: Protokoll der Notenbanksitzung im Fokus
Die Turbulenzen am Anleihemarkt begannen nach der vergangenen Sitzung der US-Notenbank, als nach Aussagen von Fed-Präsident Jerome Powell die Finanzmarktakteure zunächst ein „higher for longer“ bei den Leitzinserwartungen einpreisen mussten. Erst später im September begann dann auch die Risikoprämie zu steigen und sich somit die Turbulenzen zu verstärken. Daher dürften diese noch kein Thema im Protokoll der US-Notenbanksitzung (Mittwoch) gewesen sein. Die Finanzmarktakteure werden das Protokoll somit vor allem vor dem Hintergrund der in den kommenden Jahren zu erwartenden Leitzinsen lesen.
Das „Highlight“ der kommenden Woche ist natürlich die US-Inflation (Donnerstag). Zuletzt überraschte die Inflation eher mit niedrigen Werten – ein Trend, der sich hoffentlich im September fortsetzen konnte. Einen Tag vorher werden noch die Erzeugerpreise (Mittwoch) veröffentlicht. Darüber hinaus wird auch noch der Geschäftsklimaindex der kleineren und mittleren Unternehmen (Dienstag) veröffentlicht.
China: Aufschwüngchen
Die strukturellen Probleme der chinesischen Wirtschaft wurden bereits umfassend diskutiert. Aus diesen folgen natürlich Risiken einer schweren Rezession. Die chinesische Regierung kann jedoch jederzeit gegensteuern und die Konjunktur stabilisieren. Länder wie Argentinien dagegen, die in US-Dollar verschuldet sind und täglich US-Dollar-Kredite aufnehmen müssen, um ihre Importe zu finanzieren, sind abhängig vom Wohlwollen ausländischer Investoren. Länder wie China, mit hohen Ersparnissen im Inland und hohen Exportüberschüssen, unterliegen keinerlei Beschränkung. Daher beschloss die chinesische Regierung in den vergangenen Wochen zahlreiche kleinere Maßnahmen, die sich aber vor allem auf die Infrastruktur und den Immobilienmarkt fokussierten. Die Maßnahmen dürften eine moderate Belebung der Kreditvergabe (Mittwoch) bewirkt haben. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Kredit- und Konjunkturbelebung gegen Jahresende wieder verpuffen wird. Zumal der Export (Freitag) auch aufgrund der allgemeinen Konjunkturschwäche unter Druck kommen dürfte. Abgerundet wird das Bild mit der Veröffentlichung der Inflationszahlen (Freitag).
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