Kann der Euro noch zulegen?
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Totgesagte leben länger! Trotz vieler Krisen, ja sogar eines belastenden Krieges in Europa, scheint dem Euro wieder neues Leben eingehaucht worden zu sein. Die Gemeinschaftswährung präsentierte sich im vergangenen Jahr äußert wertstabil und konnte dank eines Endspurts 2023 handelsgewichtet sogar um 1,1% zulegen. In der Liste der Haupthandelswährungen liegen nur einige Hochzinswährungen und der Schweizer Franken gegenüber dem Euro deutlicher im Plus. Hauptverlierer waren 2023 die Währungen des Dollar-Blocks, aber bspw. auch die Norwegische Krone sowie der chinesische Renminbi und die Indische Rupie, bei denen sich das Minus zwischenzeitlich bis in den zweistelligen Bereich hochschaukelte – von den ganz großen Verlierern, dem Russischen Rubel (-23%) und der Türkischen Lira (-39%), ganz zu schweigen.
Die deutlich gestiegenen Renditen von Staatsanleihen aus der Europäischen Währungsunion (EWU) waren unterdessen wohl der Hauptauslöser für die Euro-Erholung: Lagen beispielsweise die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen Anfang März 2022 noch im Minus, rentieren sie aktuell bei 2,04% – nachdem sie im Oktober 2023 noch bei 3,03% rangierten. Zehnjährige italienische Staatsanleihen rentieren aktuell bei 3,73% und handeln damit 25 Basispunkte unter zehnjährigen US-Staatsanleihen. Nachdem die Fed ihren Zinserhöhungszyklus im Juni 2023 unterbrochen hatte und der Markt für Ende dieses Jahres mittlerweile knapp sechs Zinssenkungen einpreist, hat der „Greenback“ am Devisenmarkt Gegenwind bekommen, auch wenn die Fed Funds Target Rate in der Spanne von 5,25 – 5,50% noch immer vergleichsweise attraktiv erscheint.
Unseres Erachtens gibt es allerdings mehrere Gründe dafür, dass die Schwäche des US-Dollar nicht nachhaltig sein sollte: Einerseits gilt der „Greenback“ bei vielen Anlegern noch immer als die beste Versicherung gegen globale Rezessionsrisiken und geopolitische Krisen. Und diese haben nicht nur gefühlt zugenommen, sondern auch de facto: Laut dem Magazin Foreigns Affairs gab es vor zehn Jahren deutlich weniger (33) bewaffnete Konflikte als heute (55), die zudem noch länger anhalten. Andererseits ziehen die US-amerikanischen Aktienmärkte, die über Jahre ihre Bastion der relativen Stärke im internationalen Kontext verteidigen konnten, noch immer vermehrt Kapital an. Nicht zuletzt durch das stabile Wachstum, das trotz der noch immer hohen Zinsen auch in den letzten beiden Quartalen 2023 nicht eingebrochen ist. Positiv ist sicherlich auch, dass sich die Headline-Inflation nun mittlerweile auf 3,1 Prozent zurückgebildet hat und noch immer Vollbeschäftigung herrscht, was den Konsum stützt. Damit hat die Fed, die deutlich früher und aggressiver als die EZB die geldpolitischen Zügel angezogen hatte, ihren Auftrag für die Gesamtwirtschaft bislang besser erfüllt.
Ausufernde Verschuldung
Den Dollar weiter schwächen könnte hingegen die ausufernde Verschuldung der USA, die der Devisenmarkt bisher noch nicht als belastendes Thema „entdeckt“ hat. Die Staatsverschuldung beträgt inzwischen ca. 34 Bill. Dollar und damit bereits mehr als 126% der Wirtschaftsleistung der USA. Zur Finanzierung ihrer Verbindlichkeiten müssen die Vereinigten Staaten in den kommenden Jahren eine immense Zinslast tragen, die mehr als 20% der Steuereinnahmen verschlingen wird. Im Zusammenspiel mit den hohen US-Handels- und Leistungsbilanzdefiziten sollten die derzeit unterstützenden Faktoren für den „Greenback“ also nicht überbewertet werden.
Ungeachtet der positiven Einflussfaktoren auf den US-Dollar, blieb der Euro-Dollar-Wechselkurs in der intakten Seitwärts-Range (1,05–1,13). Treiber dieser Entwicklung waren zuletzt hawkishe EZB-Kommentare, insbesondere von Christine Lagarde, die wegen einer immer noch zu hohen (Kern-)Inflation einer frühen Zinssenkung eine Absage erteilte. Während allerdings die Kommentare im Sommer noch unisono hawkish waren, haben zuletzt selbst Falken wie Bundesbankchef Joachim Nagel und der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot ihr scharfes Wording etwas abgeschwächt. Angesichts der technischen Rezession und der keineswegs ermutigenden wirtschaftlichen Perspektiven für Europa in den kommenden Monaten hat die EZB erneut die Datenabhängigkeit ihres weiteren Vorgehens betont.
EWU-Konjunkturpessimisten – zu denen wir gehören – gehen entsprechend davon aus, dass sich das Zins- und Wachstumsdifferenzial kurz- bis mittelfristig nicht zugunsten der Eurozone bzw. des Euro verschieben wird. Es muss zudem eingeräumt werden, dass sich einerseits die Zerrissenheit in der EU bei vielen Themen belastend auf die Gemeinschaftswährung auswirkt und andererseits auch die „römischen Risiken“ keinesfalls vom Tisch sind. Zudem entwickelt sich Deutschland zunehmend von der ehemaligen Konjunkturlokomotive zum kranken Mann Europas.
Ein weiterer Punkt, der die jüngste Euro-Stärke mittelfristig in Gefahr bringen könnte, ist die Positionierung der Anleger. Gegenüber der Einheitswährung sind die spekulativen Marktteilnehmer mittlerweile in hohem Maße long (117.391 Kontrakte) positioniert. Aus dieser Konstellation könnte sich für Euro/Dollar durchaus Abwärtspotenzial ergeben. Auch der bereits seit knapp zwei Jahren wütende Ukraine-Krieg und eine jederzeit mögliche Eskalation trüben den positiven Blick. Zudem steht dem Euro historisch ab Anfang Januar bis Mitte Juni eine saisonal schwache Periode der Gemeinschaftswährung bevor. Nichtsdestotrotz zeigt sich die übergeordnete Gemengelage unseres Erachtens derzeit noch relativ ausgeglichen. Anleger, die „Euro-long“ positioniert sind, sollten allerdings die Augen offenhalten. Mit Blick auf unsere Euro-Dollar-Währungsprognose (1,10 per Ende 2024) hält sich die Fantasie für eine nachhaltige Euro-Erholung in engen Grenzen, auch wenn in sämtlichen Varianten der Kaufkraftparität eine Euro-Unterbewertung gegenüber dem Dollar abzulesen ist.
Börsen-Zeitung, erschienen am 9.1.2024, Autor Eugen Keller, Head of FI/FX-Research
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