Geschichte wird geschrieben: Die EZB senkt vor der Fed
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EZB vor Leitzinssenkung
Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich folgendes Muster etabliert: Die US-Notenbank erhöhte oder senkte den Leitzins stets als erste – vor Bundesbank bzw. Europäischer Zentralbank (EZB). Der Grund dafür war, dass die US-Wirtschaft globaler Taktgeber war und die europäische Wirtschaft der US-Wirtschaft folgte.
Der aktuelle Zinszyklus ist jedoch anders: Die US-Wirtschaft verzeichnete 2023 und voraussichtlich auch im Jahr 2024 ein dynamisches Wachstum mit hartnäckig hoher Inflation – dank eines fiskalischen Stimulus und günstiger Finanzierungsbedingungen an den Finanzmärkten. Im Gegensatz dazu stagniert die Wirtschaft in der Eurozone aufgrund zahlreicher Krisen wie der Energiekrise mit Wachstumsraten von nur 0,4 Prozent 2023 und von voraussichtlich nur 0,7 Prozent 2024. Gleichzeitig zeigt der Trend bei der Inflation in der Eurozone nach unten. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus angebracht, dass die EZB am Donnerstag bereits vor der US-Notenbank den Leitzins senkt.
Auch die Schweizer Nationalbank und die Schwedische Reichsbank haben schon in diesem Jahr den Leitzins gesenkt – ohne größere Verwerfungen an den Devisenmärkten auszulösen. Die Finanzmärkte preisen schon jetzt eine Leitzinssenkung der EZB im Juni ein und eine Leitzinssenkung der Fed erst im November. Diese Erwartungen sollten also auch schon im aktuellen EUR/USD-Wechselkurs reflektiert sein.
Zuletzt überraschten die Konjunkturdaten in der Eurozone laut dem Citigroup-Surprise-Index positiv, während sie in den USA eher enttäuschten. Die Stärke des Arbeitsmarktes in der Eurozone wird dabei oft nicht ausreichend gewürdigt: Die Arbeitslosenquote ist dank vieler Strukturreformen auf den tiefsten Stand seit Beginn der Währungsunion gefallen und die Beschäftigung (Freitag) wächst seit dem dritten Quartal 2021 robust. Damit sinkt der Druck auf die EZB, den Leitzins stärker als erwartet zu senken – und der Druck auf die US-Notenbank nimmt ab, den Leitzins sogar noch erhöhen zu müssen. Mit den Leitzinssenkungen der EZB verbessern sich die Wachstumsperspektiven für die Eurozone, was dem Euro-Wechselkurs sogar Auftrieb geben könnte.
Zuletzt dürfte sich noch ein Blick auf die deutschen Konjunkturdaten lohnen: Auftragseingang (Donnerstag), Exporte (Freitag) sowie Industrieproduktion (Freitag). Deutschland ist das konjunkturelle Schlusslicht in Europa. Sollten sich die Konjunkturdaten auch in Deutschland verbessern, hätte dies positive Implikationen für die anderen europäischen Länder.
Leitzinssenkung der Fed erst im Dezember
In den USA ist die Inflationsdynamik immer noch zu hoch. So stieg der Konsumentenpreisindex ohne Energie und Lebensmittel im April auf 4,1 Prozent gegenüber Januar in Jahresrate gerechnet. Nur eine signifikante Abschwächung der US-Konjunktur oder ein rapider Inflationsrückgang dürften die US-Notenbank zu einer Leitzinssenkung bewegen.
Die Daten vom Arbeitsmarkt am Freitag sowie die Zahl der offenen Stellen am Dienstag dürften leichte Schwächetendenzen aufweisen, aber immer noch stark genug sein, sodass eine baldige Leitzinssenkung nicht in Frage kommt. Wir erwarten grundsätzlich eine stabile Konjunktur bei einer hartnäckig hohen Inflation. Entsprechend prognostizieren wir erst im Dezember eine Leitzinssenkung der Fed.
Zwar ist die Aussagekraft der Einkaufsmanagerindizes und der ISM-Indizes leider fragwürdig geworden, weil immer weniger Unternehmen an den Umfragen teilnehmen. Trotzdem werden der ISM-Index (Montag) und der ISM-Nonmanufacturing-Index (Mittwoch) sicherlich im Blickfeld der Finanzmärkte liegen.
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