Staatsanleihen der Eurozone sind wieder attraktiv
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Leitzinserwartungen maßgeblich für die Renditeentwicklung
Die Erwartungshypothese postuliert, dass die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen dem durchschnittlich erwarteten Leitzins über 10 Jahre plus einer Risikoprämie entspricht. Interessanterweise gibt es ein Finanzinstrument, anhand dessen der durchschnittlich erwartete Leitzins über 10 Jahre abgelesen werden kann: der 10-jährige OIS (Overnight Index Swap).
Beispiel Deutschland: Ein Blick in die Historie zeigt, dass der 10-jährige OIS bei durchschnittlich 1,71 Prozent seit August 2005 handelte – die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen lag dagegen durchschnittlich bei 1,62 Prozent. Offensichtlich war die Risikoprämie bei Bundesanleihen über diesen Zeitraum im Durchschnitt negativ bei ca. -0,1 Prozentpunkten. Es gab jedoch einen Strukturbruch infolge der QE-Programme der EZB, der einen Rückgang der Risikoprämien bewirkte: Bis zum Beginn der Wertpapierkäufe der EZB im März 2015 war die durchschnittliche Risikoprämie von Bundesanleihen noch etwa bei 0,0 Prozentpunkten, seitdem ist sie auf -0,2 Prozentpunkte gefallen – aufgrund der strukturellen Knappheit an „sicheren“ Bundesanleihen. Bundesanleihen scheinen also ein Spezialfall der Erwartungshypothese zu sein.
Beispiel Österreich: Österreich als ein Land mit guter Bonität und ohne strukturelle Knappheiten scheint, anders als Deutschland, das Zusammenspiel zwischen Leitzinserwartungen und Renditen von Staatsanleihen besser zu reflektieren. So lag die durchschnittliche Risikoprämie 10-jähriger österreichischer Staatsanleihen zwischen August 2005 und Februar 2015 bei etwa 0,4 Prozentpunkten – wie es realistisch zu erwarten ist. Seit dem Beginn der QE-Programme der EZB ist die Risikoprämie auf 0,0 Prozentpunkte gefallen. Die Anleihenkäufe der EZB hatten also den gewünschten Effekt einer Renditereduktion.
Staatsanleihen aus der Eurozone mit guter Bonität attraktiv
Es lässt sich aus dem zuvor beschriebenen Zusammenhang ableiten, dass sich die Renditen von Staatsanleihen nur dann bewegen, wenn sich die Erwartungen an die zukünftige Zentralbankpolitik ändern. Die Risikoprämien sind seit Beginn der QE-Programme der EZB sehr stabil und schwanken kaum, sie können also mehr oder weniger vernachlässigt werden. Daher lohnt sich ein Blick auf den erwarteten Leitzinspfad für die nächsten 10 Jahre.
Die Finanzmarktakteure rechnen derzeit damit, dass die EZB den Leitzins bis September 2023 auf 2,0 Prozent anheben wird. Danach rechnen sie bis Ende 2025 mit einem stabilen und unveränderten Leitzins und sehen ab 2026 den Leitzins langsam bis 2032 auf 2,65 Prozent steigen.
Die EZB schätzt jedoch den neutralen Leitzins derzeit bei zwischen 1,5 und 2,0 Prozent. Das heißt, die Finanzmarktakteure erwarten, dass die EZB den Leitzins ab 2026 in den restriktiven Bereich anheben wird. Das scheint doch etwas übertrieben. Somit scheinen Staatsanleihen aus der Eurozone mit guter Bonität wieder attraktiv zu sein.
Aber: Zwei Szenarien für Staatsanleihen der Eurozone mit guter Bonität
Das wirtschaftliche Umfeld ist derzeit durch eine große Unsicherheit geprägt, wie der Rückgang des Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungssektors (Dienstag) eindrücklich belegen dürfte. Auch die deutsche Industrie mit ihren Exporten (Montag), ihren Aufträgen (Mittwoch) und ihrer Produktion (Donnerstag) leidet unter Lieferkettenproblemen und einer sich abschwächenden Nachfrage. Zumal noch das Damoklesschwert der Erdgasknappheit im Winter über der europäischen Wirtschaft schwebt.
Diese Schocks in Verbindung mit den angekündigten Leitzinserhöhungen der EZB könnten die europäische Wirtschaft in eine Rezession beziehungsweise einen merklichen Abschwung stürzen. In diesem Fall würden die Finanzmarktakteure keine weiteren Leitzinserhöhungen nach September mehr preisen und die Renditen von Staatsanleihen in der Eurozone mit guter Bonität würden merklich fallen wahrscheinlich um mehr als 100 Basispunkte. Wir ordnen diesem Szenario eine Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent zu.
In unserem Basisszenario gehen wir nach wie vor davon aus, dass die Wirtschaft der Eurozone mit etwa 2,0 Prozent in diesem Jahr wachsen kann. So stützen die umfangreichen staatlichen Investitionen, das hohe Sparvermögen der privaten Haushalte sowie die einsetzende Konjunkturerholung in Asien die europäische Wirtschaft wahrscheinlich ausreichend, um ein niedriges, aber stabiles Wachstum zu ermöglichen. In diesem Fall bleibt aber die Inflation ein großes Problem. Unseren Schätzungen zufolge müsste die EZB in diesem Fall den Leitzins sogar bis auf 3,0 Prozent anheben.
Prognosemodelle sind grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen, da immer das Risiko von nicht erkannten Scheinkorrelationen besteht; trotz alledem können sie eine Hilfe sein. Derzeit signalisieren sie, dass die Finanzmarktakteure für die kommenden zwei Jahre noch zu wenig Leitzinserhöhungen der EZB eingepreist haben. Es überwiegt derzeit also noch das Risiko, dass die Renditen von Staatsanleihen aus der Eurozone mit guter Bonität Spielraum für einen Anstieg von 25 bis 50 Basispunkten auf 2,0 Prozent haben (Wahrscheinlichkeit 60 Prozent).
Szenario für Staatsanleihen aus der Eurozone mit schlechter Bonität
Es zeichnet sich ab, dass die EZB im Juli ein neues Instrument im Kampf gegen die Fragmentierung des europäischen Anleihemarktes beschließen wird. Es ist zu vermuten, dass die EZB dabei ein temporäres Abweichen vom Kapitalschlüssel über mehrere Jahre akzeptieren wird, um mit großem Volumen in die Anleihemärkte von Ländern mit schlechter Bonität investieren zu können. Das Ziel ist eine Stabilisierung der Spreads. Der EZB sind jedoch enge rechtliche Grenzen gesetzt, sodass das neue Defragmentierungsinstrument die Erwartungen der Finanzmarktakteure enttäuschen könnte.
Konjunkturdaten
Japan: Weiterhin niedrige Inflation
Die binnenwirtschaftlich generierte Inflation betrug in Japan im Mai nur 0,8 Prozent – also ohne Energie- und Lebensmittelpreise. Ein Grund für die niedrige Inflation ist die äußerst geringe Lohndynamik (Dienstag) von 1,3 Prozent zum Vorjahr (April). Daher steht die Bank von Japan trotz des schwachen Yen-Wechselkurses unter keinerlei Druck, den Leitzins oder die Rendite von Staatsanleihen anzuheben. Immerhin scheint in Japan – aufgrund der nachlassenden Pandemie und der wirtschaftlichen Belebung in China – ein Aufschwung zu beginnen, wie auch die Wirtschaftserwartungen (Eco Watchers-Umfrage zum Ausblick, Freitag) signalisieren werden. Vielleicht könnte die Kombination aus Aufschwung, schwachem Wechselkurs und importierter Inflation im nächsten oder übernächsten Jahr zu einer Beschleunigung der Lohnerhöhungen und damit zur binnenwirtschaftlich generierten Inflation beitragen. Es wird also noch einige Zeit dauern, bis Inflation in Japan zum Problem werden könnte.
USA: Weiche Landung der Konjunktur?
Die US-Notenbank möchte die Nachfrage nach Arbeitskräften – also die Zahl der offenen Stellen – reduzieren, ohne jedoch einen Anstieg der Arbeitslosenquote (Freitag) zu verursachen. Sollte das gelingen, könnte sich auch die Lohndynamik (Freitag) wieder abschwächen. Es wäre das Szenario einer „weichen Landung“ der Konjunktur. Darüber hinaus werden noch das Protokoll der vergangenen Fed-Sitzung (Mittwoch) und der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor (Mittwoch) veröffentlicht.
Ausblick Ölmarkt: Angespannte Lage
Blickt man auf die gesamten Lagerbestände an Rohöl in den USA zeigt sich, dass diese in den vergangenen Wochen deutlich gefallen sind – von 1,175 Mrd. Barrel auf zuletzt 980 Mio. Barrel. Der Rückgang ist eine Folge der Freigabe der strategischen Ölreserve durch US-Präsident Biden.
Der Ölmarkt ist dadurch gekennzeichnet, dass es großer Preisbewegungen bedarf, um eine Änderung der Nachfrage hervorzurufen. Würden die USA also nicht Öl aus der strategischen Reserve auf den Markt bringen, wäre der Ölpreis wahrscheinlich heute schon viel höher. Es zeigt, wie angespannt die Lage am Ölmarkt ist.
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