Diesmal ist alles anders in Japan
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Japan: Geldpolitik ist erstmalig seit Einsetzen der Deflation expansiv
Die Bestimmung der Ausrichtung der Geldpolitik – also ob sie expansiv oder restriktiv ist – wird in der Regel anhand des Realzinses vorgenommen. Idealerweise vergleicht man den aktuellen Realzins mit dem realen Gleichgewichtszins. Der Gleichgewichtszins ist konzeptionell der Zins, der sich aus dem Angebot an Ersparnissen und der Nachfrage nach Krediten ergibt, wenn die Volkswirtschaft im Gleichgewicht ist – also, wenn die Inflation das Inflationsziel erreicht hat und gleichzeitig Vollbeschäftigung herrscht. Der reale Gleichgewichtszins ist jedoch nur ein theoretisches Konstrukt, das mithilfe von statistischen Verfahren geschätzt werden muss. Die Schätzungen sind jedoch oft nicht sehr präzise und daher mit einer großen Unsicherheit behaftet.
Im Gegensatz dazu kann eine einfache Heuristik vielleicht sogar besser helfen, die Ausrichtung der Geldpolitik zu bestimmen: Ist die wirtschaftliche Aktivität schwach und die Inflation zu niedrig, kann in der Regel ein negativer Realzins die Wirtschaft stimulieren und wieder auf Wachstumskurs bringen. Ist die wirtschaftliche Aktivität robust und die Inflation zu hoch, bedarf es in der Regel eines positiven Realzinses, um die Wirtschaft zu bremsen – also eines Leitzinses oberhalb der Inflationsrate.
In Japan betrug der Realzins während der beiden verlorenen Dekaden zwischen 1990 und 2010 durchschnittlich 1,5 Prozent. Die Geldpolitik war also sehr restriktiv und verhinderte somit eine dauerhafte Erholung der Wirtschaft und ein Ende der Deflation. Die negativen Realzinsen in den Jahren 1998 und 2014 waren nur eine Folge der Mehrwertsteuererhöhungen, aus denen eine vorübergehend hohe Inflation resultierte. Steuererhöhungen entziehen den Konsumenten Kaufkraft und wirken daher nicht belebend.
Seit dem Beginn von Abenomics im Januar 2013 ist der Realzins jedoch überwiegend negativ. Seit 2022 ist der Realzins sogar signifikant negativ und erreichte im zweiten Quartal 2023 einen Wert von -2,5 Prozent. Die Bank von Japan reagierte also dieses Mal nicht auf den Anstieg der Inflation mit Leitzinserhöhungen, sondern hielt den Leitzins unverändert bei -0,1 Prozent. Die Geldpolitik in Japan ist somit zum ersten Mal seit dem Einsetzen der Deflation zu Beginn der 1990er Jahre wirklich expansiv.
Dass die Geldpolitik 2023 nunmehr expansiv ausgerichtet ist – also, dass der aktuelle Realzins unter dem realen Gleichgewichtszins liegt – sollte anhand bestimmter realwirtschaftlicher Entwicklungen sichtbar werden. So müsste sich eigentlich die Kreditnachfrage beleben und sich der Immobilienmarkt erholen.
Tatsächlich scheint sich die Wachstumsrate der Kreditvergabe seit 2013 bis zur Pandemie auf etwa 2,0 Prozent beschleunigt zu haben. Von 2002 bis 2012 war sie durchschnittlich sogar noch negativ. In diesem Jahr ist sogar eine Beschleunigung auf 3,0 Prozent zu beobachten. Auch steigen seit 2017 – zum ersten Mal seit 1991 – wieder die für Japan so wichtigen Grundstückspreise für Wohn- und Gewerbeimmobilien. Und in diesem Jahr scheint sogar ein neues Hoch in der Zuwachsrate erreicht zu werden.
Wir rechnen somit mit einer widerstandsfähigen japanischen Wirtschaft und mit überwiegend guten Konjunkturdaten. Im Fokus stehen daher robust wachsende Einzelhandelsumsätze (Freitag) und eine weniger stark fallende Industrieproduktion (Freitag) als die vom Consensus erwarteten -0,7 Prozent zum Vormonat. Gleichzeitig dürfte der Arbeitsmarkt stark bleiben (Freitag). Es stellt sich natürlich die Frage, ob die Bank von Japan nicht schon jetzt viel zu expansiv ist, sodass die Inflation (Freitag) außer Kontrolle gerät. Das Risiko einer höheren Inflation kommt derzeit nach wie vor eher von steigenden Importpreisen aufgrund der Wechselkursschwäche. Die Lohndynamik im Inland ist nach wie vor schwach, sodass eine Akzeleration der Inflation unwahrscheinlich ist.
Eurozone: Inflation im Fokus
Die EZB signalisierte mit ihrer Leitzinserhöhung in der vergangenen Woche, dass sie ein höheres Gewicht auf die Inflationsrisiken legt als auf die Konjunkturrisiken. Die Inflation (Freitag) dürfte erst einmal weiter fallen, da im September, Oktober und November noch die Basiseffekte unterstützend im Hinblick auf die Energiepreisentwicklung wirken. Erst im Dezember droht ein Anstieg der Inflation aufgrund der aktuellen Ölpreisentwicklung. Vorerst dürfte somit die EZB nicht unter Druck stehen, den Leitzins weiter anheben zu müssen. Zumal das Geldmengenwachstum und die Kreditvergabe (Mittwoch) sehr schwach sind und keine mittelfristigen Inflationsrisiken signalisieren. Darüber hinaus stellt sich zunehmend die Frage, ob Europa von der resilienten US-Konjunktur profitieren kann: ifo-Index (Montag) und der europäische Geschäftsklimaindex (Donnerstag).
USA: Der Konsum bleibt robust
In den USA ist das Konsumentenvertrauen (Dienstag) immer noch ungewöhnlich niedrig, obwohl die Inflation schon deutlich gefallen und die Arbeitslosenquote historisch niedrig ist. Das hat einige Analysten zu der Aussage verleitet, dass Konsumenten in Japan und in Europa eher sparen, wenn sie schlecht gestimmt sind – in den USA machen sie das Gegenteil und konsumieren.
Der Konsum (Freitag) war nämlich bisher ungewöhnlich robust – auch vor dem Hintergrund des starken Arbeitsmarkts. Hier wird interessant zu sehen sein, wie die Konsumenten den Arbeitsmarkt (Dienstag) im September einschätzen, nachdem im August die Beurteilung noch sehr schwach war. Darüber hinaus richtet sich der Fokus auf den Immobilienmarkt: Hauspreise (Dienstag) und Neubauverkäufe (Dienstag). Der Wohnimmobilienmarkt zeigte bis vor kurzem noch eine überraschende Stärke, die sich zuletzt aber wieder eingetrübt hat. Mal schauen, ob sich die Abwärtstendenzen fortsetzen.
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