Vom Tuchhandel zur 350-jährigen Privatbank
1674
Benjamin Metzler
Ein gewisser Benjamin Metzler, 1650 in Sachsen als sechstes Kind eines protestantischen Pfarrers geboren, kam mit 21 Jahren nach Frankfurt. Es wird ihm nicht anders gegangen sein als vielen jungen Menschen heute: Die Stadt bot gute Arbeitsmöglichkeiten. Zunächst fand er Arbeit als Buchhalter bei einem angesehenen Tuchhändler. Schon drei Jahre später, 1674, gründete er sein eigenes Tuchhandelsgeschäft – die Geburtsstunde des Bankhauses Metzler.
Frankfurt als Knotenpunkt des Europäischen Handels
Frankfurt erlebte in diesen Jahren eine Blütezeit als Zentrum für den deutschen und europäischen Handel. Hier kreuzten sich wichtige Handelswege, und die zweimal im Jahr stattfindenden Messen lockten mehrere Tausend Besucher an.
Wie das Bankwesen aus dem Handel entstand
Anders als heute – wo wir es mit dem Euro recht bequem haben – waren gerade im Fernhandel die unterschiedlichsten Münzen im Umlauf. Es liegt auf der Hand: Der große Warenumschlag wäre ohne den Handel mit Wechseln oder das Geldwechselgeschäft gar nicht möglich gewesen. Dieser Geschäftszweig wurde immer selbstständiger und wichtiger; entsprechend verschob sich der Schwerpunkt des Hauses Metzler mehr und mehr vom Handels- zum Bankgeschäft. Das war eine typische Entwicklung vieler Handelshäuser, die später zu Privatbanken wurden.
1757
Christina Barbara Metzler – die erste Bankvorständin
Was in der damaligen Zeit allerdings völlig untypisch war: Schon im 18. Jahrhundert stand bei Metzler eine Frau an der Spitze des Unternehmens. Als 1757 kurz hintereinander beide Geschäftsführer völlig unerwartet starben, übernahm eine unverheiratete Enkelin des Firmengründers, Christina Barbara Metzler, die Geschäftsleitung. Wie ungewöhnlich diese Entscheidung war, lässt sich heute kaum noch nachvollziehen. In alleiniger Verantwortung führte sie rund zwanzig Jahre lang das Haus und entwickelte das Geschäft weitsichtig und zielstrebig. Nur drei Jahre nach ihrem Antritt findet sich in historischen Metzler-Dokumenten erstmals das Wort „Bankiers“. Die ersten Darlehens- und Effektengeschäfte lassen sich auf das Jahr 1760 datieren.
1771
Die Weichenstellung zum Bankhaus
Christina Barbara verdanken wir auch eine entscheidende Personalie: Sie holte ihren Neffen Friedrich aus Bordeaux nach Frankfurt und ermöglichte ihm eine gute Ausbildung. Auch in dieser Entscheidung bewies sie Klugheit und Weitsicht. Friedrich wurde im Alter von 22 Jahren in die Geschäftsleitung der Bank berufen und erwies sich als ein glänzender Bankier. Unter ihm wurde Metzler endgültig zum Bankhaus.
Bankwesen in der Epoche der Fürstenstaaten
Ein wichtiges Geschäft in diesen Jahren war die Anleihefinanzierung. Die vielen, absolutistisch geprägten Fürstenstaaten hatten einen großen Finanzierungsbedarf: Sie wollten ihre Macht zeigen, und das war teuer. Metzler avancierte in dieser Zeit zu einem Finanzier des preußischen Königshauses. Anders als manche Herrscherhäuser zahlten die Preußen ihre Schulden pünktlich – so war das Geschäft für die Bank wie für die Kunden relativ sicher. Das trug wesentlich zur Stabilität des Bankhauses bei. Als das Anleihegeschäft während der napoleonischen Kriege risikoreicher wurde und schlussendlich zum Stillstand kam, war das eine schwierige Zeit für die Bank. Sie konzentrierte sich mehr und mehr auf das Effektengeschäft, also auf den Handel mit fungiblen Wertpapieren wie Aktien und Anleihen.
1856
Bankwesen als Pfeiler der Industrialisierung
Das 19. Jahrhundert mit der Industrialisierung brachte weitreichende Veränderungen in der Bankenlandschaft mit sich. Überall im Deutschen Reich wurden Firmen und Aktiengesellschaften gegründet. Parallel dazu entstanden Großbanken wie die Deutsche Bank und die Dresdner Bank sowie die Sparkassen. Für die rasant wachsende deutsche Industrie übernahmen sie lebensnotwendige Funktionen: Sie sammelten Sparvolumen ein, um daraus langfristige Kredite zu vergeben. Mit der Umwandlung Deutschlands vom Agrar- zum Industrieland war eine starke Wertschöpfung verbunden: Erstmals überhaupt waren viele Menschen in der Lage, Ersparnisse zu bilden.
Die besondere Stärke Metzlers lag bei individuellen Finanzdienstleistungen, bei gleichzeitigem Verzicht auf bilanzwirksames Geschäft wie Spareinlagen und Kredite. Mit dieser Ausrichtung wurde ein Weg beschritten, der sich auch heute noch als tragfähig erweist. Ein Weg, der mehr als 150 Jahre später die Unternehmenspolitik bestimmt und Metzler nach wie vor die Unabhängigkeit sichert.
1928
Erster Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise
Das 20. Jahrhundert begann mit einer Abfolge von Krisen: Der Erste Weltkrieg hatte das Vermögen der Bank weitgehend vernichtet. So wurden beispielsweise die Auslandswerte beschlagnahmt, und mit der großen Weltwirtschaftskrise 1928 kam es zu enormen Wertverlusten der noch vorhandenen Wertpapiere. Metzler war gezwungen, das Geschäft zu verkleinern und Mitarbeiter zu entlassen.
1940
Das Bankhaus im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit
Während der Zeit des Nationalsozialismus unterlag der Finanzplatz Frankfurt strengen Restriktionen und war vom Ausland weitgehend abgeschnitten. Es kam daher zu einem fast völligen Stillstand des Bankgeschäfts, das erst in den 1960er-Jahren wieder einen merklichen Aufschwung erlebte. Trotz immerwährender Anpassungen im Geschäft blieb man auch in dieser Zeit der Devise treu, nur das Geschäft zu betreiben, bei dem Größe keine Rolle spielt. Der strategische Fokus liegt seitdem auf dem Wertpapiergeschäft, den Zinsen und Währungen, der Vermögensverwaltung für institutionelle und private Kunden sowie auf dem M&A-Geschäft.
1986
Schritte des Bankhauses an der Schwelle zum 21. Jahrhundert
Um die Unabhängigkeit langfristig zu sichern und die Kapitalbasis zu stärken, wandelte Friedrich von Metzler gemeinsam mit seinem Vetter Christoph von Metzler das Bankhaus Metzler 1986 in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien um und schuf eine Holdingstruktur nach angelsächsischem Vorbild. Im Jahr 2021 erfolgte wiederum die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft, um die Gesellschaftsstruktur zu vereinfachen, administrative Anforderungen zu verringern und eine zeitgemäße Governance-Struktur einzuführen.
2024
Das Bankhaus in der Gegenwart
Heute, 350 Jahre nach der Gründung, ist Metzler Deutschlands ältestes Bankhaus in ununterbrochenem Familienbesitz und konzentriert sich auf individuelle Kapitalmarktdienstleistungen für Institutionen und anspruchsvolle Privatkunden in vier Geschäftsfeldern: Asset Management, Capital Markets, Corporate Finance und Private Banking.