„Wir können auch mal emotional werden“
Die Geschwister Elena und Franz von Metzler sollen das Frankfurter Bankhaus in die Zukunft führen. Hier sprechen sie über Lust und Last der Tradition, die Ratschläge ihres Vaters und die Kunst des richtigen Streitens.
Frau von Metzler, Herr von Metzler, Ihr Bankhaus feiert in diesem Jahr sein 350-jähriges Jubiläum. Sind Sie stolz darauf - oder blicken Sie lieber nach vorne?
Franz von Metzler: Stolz trifft es nicht, es ist eher Demut. Elena und ich sind Teil der zwölften Generation, die dieses Bankhaus weiterführen darf - Elena im Aufsichtsrat und ich als Vorstandsmitglied. Ich empfinde gegenüber unseren Vorfahren große Dankbarkeit für das, was sie aufgebaut haben. Aber natürlich schauen wir auch in die Zukunft: Es ist ein Privileg, unternehmerisch tätig zu sein, aber das geht auch mit Verantwortung einher.
Elena von Metzler: Wir haben großen Respekt vor der Leistung früherer Generationen. Ihre Werte und ihre Geschichte dienen uns als Fundament. Wir dürfen uns auf der Geschichte nicht ausruhen.
Sie wurden in das Bankhaus hineingeboren. Wann haben Sie gemerkt, dass Ihr Vater keinem ganz normalen Job nachgeht?
Franz von Metzler: Unser Vater Friedrich von Metzler ist ja sogar in der Bank aufgewachsen, Wohnhaus und Bank waren früher nicht getrennt. Unsere Großmutter hat lange im sechsten Stock unseres damaligen Hauptsitzes gewohnt. Wenn wir am Wochenende unsere Oma besucht haben, war das also immer verbunden mit dem Besuch der Bank. Wir haben so schon früh mitbekommen, dass Bankhaus und Familie eng zusammengehören.
Elena von Metzler: Wir sind damit groß geworden. Unsere Eltern leben eine Open-House-Kultur, es ist ihnen bis heute wichtig, Menschen zusammenzubringen. Darum hatten wir häufig Geschäftspartner bei uns zu Hause oder Kollegen aus der Bank. Wir sind währenddessen mit unseren Pyjamas durch die Menge geflitzt. Zum ersten Mal richtig plastisch verstanden, was in der Bank vor sich geht, habe ich im Alter von 12 Jahren. Meine Großmutter hatte mir 50 D-Mark geschenkt, und ich bin damit gleich zu meinem Vater und habe gefragt, ob ich das Geld bei ihm anlegen kann. Er hat mir zwei Fondsanteile gekauft und war schon ein bisschen stolz. Und ich auch.
War Ihnen immer klar, dass Sie eines Tages im familieneigenen Betrieb arbeiten würden? Hatten Sie nie Lust, einmal etwas ganz anderes zu machen?
Elena von Metzler: Und ob. Weil wir eben mit dem Unternehmen aufwuchsen, entstand bei mir sehr früh eine Art von Verantwortungsbewusstsein. Ich habe mich gefragt: Will ich hier nur arbeiten, weil ich mich dazu verpflichtet fühle oder weil mich wirklich auch die Thematik interessiert? Darum habe ich beschlossen, mich auszuprobieren. So habe ich zum Beispiel mal ein Praktikum im Städel-Museum gemacht und später einige Jahre in der Industrie gearbeitet. Aber irgendwann hatte ich das Gefühl, es wäre Zeit, auch Erfahrungen im eigenen Bankhaus zu machen, und darum habe ich ein Jahr lang dort ein Trainee-Programm absolviert. Es war, als würde ich nach Hause kommen.
Das klingt sehr harmonisch. Haben Ihre Eltern nie Druck auf Sie ausgeübt, für die Bank zu arbeiten?
Franz von Metzler: Wir hatten immer die Freiheit, uns auszuprobieren. Unser Vater hat immer gesagt, dass wir unsere Berufung finden müssten. Natürlich hat er uns von seiner Arbeit erzählt, er hat uns aber nie unter Druck gesetzt.
Elena von Metzler: Das ist sicherlich das Wichtigste, was wir von unseren Eltern gelernt haben: Bei allem, was sie tun, stellen sie sich selbst nicht in den Mittelpunkt. Es geht um die Sache. Das haben wir früh beigebracht bekommen.
Franz von Metzler: Diese Offenheit fand ich sehr befreiend. Wir wussten aber auch: Wenn wir uns eines Tages für die Bank entscheiden würden, würde uns hier nichts in den Schoß fallen. Unser Vater hat uns auch immer klargemacht, dass wir im Zweifelsfall schon wissen sollten, wie das Geschäft funktioniert. Ich habe nach dem BWL-Studium einige Zeit bei einer Großbank in London gearbeitet, in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil von Metzler. Aber ich war schon immer fasziniert von unserer Geschichte, und nach einigen Jahren hat es mich auch inhaltlich sehr stark interessiert. Das war ähnlich wie bei meiner Schwester. Ich habe dann zunächst im Portfoliomanagement im Aktienteam angefangen.
Wie verhindert man, dass man als Sohn oder Tochter des Chefs von den Kollegen nur mit Samthandschuhen angefasst wird?
Franz von Metzler: Man macht einfach. Auch dabei kommt es wieder darauf an, sich selbst nicht zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen und zu zeigen, dass man sich für nichts zu schade ist.
Trotzdem werden Sie selten offene Kritik gehört haben.
Elena von Metzler: So würde ich das nicht sagen. Ich gebe zu, dass ich mir im Vorhinein darüber recht viele Gedanken gemacht habe. Vom ersten Tag meines Trainee-Programms an habe ich darum Kritik offen eingefordert. Und zwar nicht nur in großer Runde, wo manche zurückhaltender sind, sondern auch im direkten Dialog mit einzelnen Kollegen. Mein Eindruck war immer: Die Kolleginnen und Kollegen wollten, dass wir uns so gut wie möglich entwickeln - schon aus Eigeninteresse. Wenn wir als zwölfte Generation vernünftige Arbeit machen, kommt das schließlich allen zugute.
Franz von Metzler: Hätte die Feedback-Kultur im Unternehmen nicht funktioniert, wären wir selbst die größten Leidtragenden gewesen. Dann hätten wir niemals gelernt, wie das Geschäft in unserem Bankhaus vonstattengeht.
Ihre Stellung unterscheidet sich dennoch von allen familienfremden Angestellten. Haben Sie auch in der Unternehmensgeschichte nach Vorbildern gesucht?
Elena von Metzler: Ja, besonders Christina Barbara Metzler hat mich beeindruckt. Sie war im 18. Jahrhundert die erste Frau, die das Bankhaus geführt hat. Dabei war es damals eigentlich in Deutschland sehr unüblich, dass unverheiratete Frauen die Geschäfte leiten. Aber nachdem ihr Vater und ihr Bruder gestorben waren, blieb ihr nichts anderes übrig. Christina Barbara hat nicht nur die Geschäfte geführt, sondern sich auch um die Nachfolge gekümmert. Sie selbst hatte keine Kinder und hat darum frühzeitig einen Neffen aus Bordeaux zu sich geholt, damit er den Betrieb übernimmt. Das war weitsichtig, sonst wäre unsere Geschichte damals vielleicht schon vorbei gewesen.
Franz von Metzler: Für mich ist neben unseren Eltern unser Großvater Albert ein Vorbild. Er hatte strategischen Weitblick. In den 1950er-Jahren entwickelte sich das Bankgeschäft vor allem über Filialen, in diesem Geschäft war Metzler traditionell nie aktiv. Albert ist trotzdem nicht darauf aufgesprungen, sondern hatte die Geduld, zu warten, bis das kapitalmarktnahe Geschäft wie zum Beispiel die Vermögensverwaltung zurückkam - ein Bereich, in dem wir traditionell stark waren. Das war langfristig die beste Entscheidung, obwohl sie kurzfristig vielleicht nicht so lukrativ wirkte.
Woran liegt es, dass Ihre Familie bisher nicht Opfer eines Phänomens wurde, wie es Familienbetriebe häufig ereilt: Die ersten Generationen bauen auf, die späteren zerstreiten sich?
Elena von Metzler: Entscheidend ist, den Zusammenhalt der Familie zu sichern. Das gelingt gut, wenn man den Kreis der Eigentümer kleinhält. Diese Idee ist eine der klügsten, die wir von unseren Vorfahren übernommen haben.
Franz von Metzler: Wir sind in der zwölften Generation tatsächlich nur zu dritt, das ist für ein Haus mit unserer Geschichte eher ungewöhnlich: Seit einiger Zeit gehören meiner Schwester und mir 80 Prozent der Bankanteile, unserem Cousin Leonhard 20 Prozent. Der große Vorteil dieses kleinen Kreises ist: Man kann sich schnell eine Nachricht schreiben oder zum Hörer greifen, wenn es Dinge zu besprechen gibt.
Selbst ein kleiner Kreis verhindert aber doch nicht, dass man sich auch mal streitet.
Elena von Metzler: Bestimmt können wir an der ein oder anderen Stelle auch mal emotional werden, das ist ganz normal.
Franz von Metzler: Auch als Kinder haben wir uns hin und wieder mal gezankt, wer hat das nicht getan? Wichtig ist aber, dass wir ein bedingungsloses Vertrauen zueinander haben. Auch das haben wir von unseren Eltern gelernt: Bei allen Freiheiten und Unterschieden war es ihnen wichtig, dass wir Geschwister uns in den groben Linien einig sein sollten. Nichts lähmt eine Familie und auch ein Unternehmen so sehr wie fehlende Einigkeit.
Elena von Metzler: Gemeinsam mit unserem Cousin haben wir uns darum 2021 eine Familiencharta gegeben, die viele lange praktizierte Regeln formalisiert, wie die Sache mit dem kleinen Aktionärskreis. Das heißt nicht, dass es nie mehr als drei Aktionäre geben soll, aber eben nicht zu viele.
Wie passt es denn zum Wertegerüst Ihrer Bank, dass Sie kürzlich einen Stellenabbau von zehn Prozent bis 2028 angekündigt haben?
Franz von Metzler: Der Wesenskern unseres Hauses war immer die Frage, ob die Bank für die Zukunft richtig aufgestellt ist. Wir sehen großes Wachstumspotential. Gleichzeitig müssen wir, wie andere Häuser auch, unsere Effizienz steigern, indem wir zum Beispiel bestimmte Prozesse mit digitalen Hilfsmitteln automatisieren. Wir müssen auch nicht mehr jede Software selbst programmieren, wie wir das früher gemacht haben. Der Stellenabbau, den wir vornehmen, wird sozialverträglich erfolgen, wie es zu unserem Hause passt: also vor allem über altersbedingte Fluktuation beispielsweise. Ich bin überzeugt davon, dass wir mittel- bis langfristig mehr als unsere bisherigen gut 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben könnten. Es geht bei unserer neuen Strategie also vor allem um Wachstum und Weiterentwicklung.
Ihr Vater hat sich 2018 aus dem Geschäft zurückgezogen. Wie oft meldet er sich mit guten Ratschlägen bei Ihnen beiden?
Franz von Metzler: Die Bank ist sein Leben. Zugleich hat er die Gabe, die nächste Generation machen zu lassen. Wenn ein Ratschlag kommt, dann nehmen wir diesen sehr ernst, weil er meistens sehr wichtig ist.
Elena von Metzler: Ja, immer wieder schlägt er auch vor, dass man einen Geschäftspartner mal wieder besuchen solle. Wenn man zusagt, ist die Terminfindung meistens ganz schnell organisiert, da lässt er keine Zeit verstreichen und kommt auch gern mit zum Gespräch.
Von Ihrem Vater ist bekannt, dass er früher oft ein Faxgerät mit im Urlaub hatte, um von dort aus weiterzuarbeiten. Machen Sie Vergleichbares?
Elena von Metzler: Wir müssen heute kein Faxgerät mehr einpacken, das geht glücklicherweise übers Handy. Und selbstverständlich sind wir immer erreichbar. Aber wir versuchen schon, etwas mehr abzuschalten, als unser Vater es getan hat.
Franz von Metzler: Wir fahren jedenfalls nicht in den Urlaub, um dann einfach weiterzuarbeiten, nur eben mit Strandblick. Wer seine Aufgabe gut wahrnehmen will, muss auch einmal den Kopf frei bekommen.
Das Gespräch führte Dennis Kremer.
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